© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/03 21. Februar 2003

 
Frisch gepresst

Unter den Linden. Der berühmteste märkische Wanderer nach Fontane, Günter de Bruyn, wandelt auf den Spuren Helene von Nostitz' und Harald von Koenigswalds: diese beiden Adelskinder hatten 1938 - schon die drohende Umgestaltung der Reichshauptstadt in Albert Speers "Germania" vor Augen - "erinnerungsreiche Stätten" aufgesucht, um das "alte Berlin" angesichts architektonischer Gigantomanien im kollektiven Gedächtnis zu verankern. Günter de Bruyn ist 60 Jahre später als Anekdoten erzählender, mitunter die Tiefen des 19. Jahrhunderts erkundender Flaneur in einer historisch anderen Position: er knüpft nicht an das an, was bald nicht mehr sein wird, sondern an das, was noch übrig ist - wenn die Totalrasur an der einstigen Prachtstraße Unter den Linden auch nicht Speer, sondern angelsächsischen Luftflotten und sozialistischen Stadtplanern zuzuschreiben ist (Unter den Linden. Siedler Verlag, Berlin 2002, 192 Seiten, Abbildungen, 18 Euro).

Mensch und Tier. Die Tierliebe hat hierzulande einen eher schlechten Ruf, sofern sie über "Rettet den Wal"-Aufrufe hinaus praktisch wird. Die alte Dame mit Dackel ist genauso ein Schreckgespenst wie der typische Schäferhundbesitzer. Die Fachjournalistin Vivienne Klimke wagt nicht nur das Bekenntnis zum Dackel, sondern erzählt an vielfältigen Beispielen, wie gut Tiere dem Menschen bekommen. Katzen im Altersheim und Delphine bei der Arbeit mit Geistigbehinderten sind nur einige Beispiele. Auch der Berufstätige findet draußen mit dem Hund mehr Erholung als bei Fernsehen und Computerspielen. Und dafür hat der Soziobiologe Edward Wilson sogar eine ganz ernsthafte Erklärung gegeben. Das Leben mit Tieren ist von der Evolutionsgeschichte her in unserem Genom angelegt, nicht aber der Umgang mit elektronischen Rechnern (Gruppenbild mit Dackel. Warum wir Tiere brauchen. Hirzel Verlag, Stuttgart 2002, 176 Seiten, 19,80 Euro).

Gott in Bautzen. In der Reihe 6 des "Schwarzbuch-Archivs" der Initiative der SED-Unrechts-Aufarbeitung "Deutsches Gedächtnis" beschreiben verschiedene Beiträger ihre Zeit politischer Unterdrückung, die sie aufgrund ihres christliches Glaubens erdulden mußten, beziehungsweise in der sie in der Verzweiflung der Hilflosigkeit gegenüber einem Unrechtsregime erst zum Glauben fanden (Strahlungen in dunkler Zeit. Glaubenserfahrung in Haft und Diktatur 1945-1989. Verlag Jürgen Schmidt-Pohl, Schwerin 2002, 200 Seiten, 13,50 Euro).


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen