© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/03 14. Februar 2003

 
Und wir schrumpfen doch
Demographischer Wandel: Das Statistische Bundesamt veröffentlichte die Bevölkerungszahlen für das Jahr 2001 sowie die Schätzungen für 2003
Norman Gutschow

Hauptstadt ohne Hauptstädter: Seit der Wiedervereinigung ist die Einwohnerzahl Berlins von 3,5 Millionen auf 3,38 Millionen gesunken - Tendenz weiter fallend. Das sagte der Direktor des Statistischen Landesamtes Berlin, Edwin Elsner auf Einladung der Berliner Wirtschaftsgespräche e. V. am 27. Januar bei einem Vortrag zum demographischen Wandel in der Hauptstadt.

Gründe dafür seien die Abwanderungen, die die Zuzüge überträfen, sowie die Sterbrate, welche die Geburtenrate überträfe. Berlin scheint damit entgegen dem Bundestrend zu stehen, schließlich vermeldeten die Nachrichtenagenturen, daß es nach statistischen Erhebungen wieder mehr Deutsche gäbe. Allerdings herrschen in der Bundeshauptstadt eben noch besondere Umstände. Nach der Öffnung der Mauer zogen zahlreiche Berliner ins direkte brandenburgische Umland, den soganannten Speckgürtel. Günstiges Bauland, ländliche Umgebung und vergleichsweise familienfreundlichere Infrastruktur wirken für die jahrzehntelang als "Insulaner" lebenden Berliner eben nach wie vor wie ein Magnet.

Das Statistische Bundesamt inWiesbaden veröffentlichte dann auch am 7. Februar die Bevölkerungszahlen für das Jahr 2001 sowie die vorläufigen Schätzungen für die Jahre 2002 und 2003. Demnach leben derzeit in Deutschland etwa 82,6 Millionen Menschen. Dies entspricht einer Bevölkerungszunahme von knapp 170.000 Personen gegenüber dem Vorjahr.

Damit bestätigt sich der Trend einer stetigen Zunahme seit 1998 um jeweils zwischen hundert- bis zweihunderttausend Menschen. Im Zeitraum von 1991 bis 2001 gab es demzufolge nur 1997 eine Abnahme der Bevölkerung.

Dies mag verwundern, da doch bereits seit den 1970er Jahren die Zahl der Sterbefälle stets höher ist als die Zahl der Neugeborenen. So wurden Jahr 2001 734.475 Geburten verzeichnet, während 828.541 Menschen starben. Dies entspricht einem Minusrekord von 94.000 mehr Verstorbenen als Neugeborenen. Bis 1971 hatte es in Deutschland noch deutlich mehr Geburten als Sterbefälle gegeben. Wenn also erheblicht mehr Deutsche dahinscheiden als geboren werden, wie ist dann die Bevölkerungszunahme zu erklären?

Tatsächlich wird das Geburtendefizit durch den Zuwanderungsüberschuß mehr als ausgeglichen. Hierbei handelt es sich um die Differenz zwischen der Zuwanderungs- und der Abwanderungszahl nach Deutschland. Die Zuwanderungen übertreffen dabei nicht nur die Auswanderungen, sondern zusätzlich noch die hohe Sterbequote. Das Statistische Bundesamt stellte fest, daß die Zunahme der Bevölkerung in den letzten Jahren eindeutig auf die Zuwanderung aus dem Ausland nach Deutschland zurückzuführen ist. Zu den Gefahren und Auswirkungen dieser langsamen und schrittweisen Überfremdung äußern sich die Autoren der Studie allerdings nicht.

Im Jahr 2001 gab es einen "Wanderungsgewinn" - das heißt, die Anzahl der Zuzüge nach Deutschland lag höher als die der Fortzüge - von etwa 273.000 Personen, was einer Steigerung um 63 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Von diesen Zugewanderten waren 84.000 Deutsche und 188.000 Ausländer. Bei den nach Deutschland kommenden Deutschen handelt es sich zum Großteil um Spätaussiedler aus Osteuropa und dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Im Zeitraum von 1991 bis 2001 wanderten 1,8 Millionen in die Bundesrepublik ein, wobei die jährlichen Zahlen rückläufig sind - bis 1998 etwa 200.000, seitdem unter 100.000 pro Jahr.

Ohne diesen Zuzug erkennt man seit 1991 die Tendenz, daß mehr Deutsche aus Deutschland fortziehen, als ins Land kommen. Dieser Zustand ist besonders prekär, da von diesen wegziehenden Deutschen 52 Prozent aus der Altersgruppe der 18- bis 40jährigen stammen, deren Anteil an der Gesamtbevölkerung dagegen nur 30 Prozent beträgt.

Das bedeutet, daß gerade die Jüngeren überproportional bei der Auswanderung aus Deutschland vertreten sind. Dies führt zu einer tendenziellen Abnahme und auch Überalterung der deutschen Bevölkerung. Außerdem sind es auch gerade die Hochqualifizierten, die Deutschland wegen der stagnierenden Wirtschaftslage den Rücken kehren. Diese gehen vor allem deswegen ins Ausland - bevorzugt in die USA, nach Kanada und Australien -, weil sie sich dort größere Karrierechancen erhoffen.

Jeder vierte Zugewanderte ist ein Asylbewerber

Ein Trend, der sich wohl noch verstärken wird, wenn man den Ausführungen des Migrationsforschers Dieter Oberndörfer glauben darf. Nach seiner Ansicht kann die überproportionale Auswanderung junger Deutscher und der Rückgang der Spätaussiedler nur durch wesentlich mehr Zuwanderer kompensiert werden. Nach Oberndörfers Meinung ist ein Zuwanderungsüberschuß von 300.000 nötig, da die deutsche Bevölkerung immer weniger und älter werde. Allerdings werden bei einer solchen Rechnung kaum oder gar nicht die Integrationsschwierigkeiten sowie die Belastungen des Sozialsystems berücksichtigt.

Trotzdem sind nach den statistischen Untersuchungen im Zeitraum von 1991 bis 2001 etwa 3,6 Millionen mehr Menschen nach Deutschland gekommen, als ausgewandert sind. Der Großteil von ihnen waren mit etwa 2,2 Millionen Ausländer. Die größten Kontingente stellten dabei Serbien/Montenegro mit 470.000 Einwanderern, die Türkei mit 233.000 und die Russische Föderation mit 188.000. Diese letzte Zahl mag überraschen, ist aber mit dem hohen Anteil der jüdischen Emigranten aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion zu erklären. Bis Ende 2000 wanderten 137.000 russischstämmige Juden nach Deutschland ein.

Beinahe jeder vierte der zugewanderten Ausländer war ein Asylbewerber, von denen allerdings momentan nur 5,3 Prozent tatsächlich anerkannt wurden. Die Asylbewerberzahl insgesamt nahm, höchstwahrscheinlich durch die Änderung des Asylgesetzes 1993, von 438.000 im Jahr 1992 auf 88.000 im Jahr 2001 ab.

Die ausländische Bevökerung in Deutschland hat dagegen zugenommen. Zwischen 1991 und 2001 stieg die Zahl der in Deutschland lebenden Ausländer um 1,4 Millionen. So lebten im Jahr 1991 noch 5,9 Millionen Ausländer in der Bundesrepublik, was einem Anteil an der Gesamtbevölkerung von 7,3 Prozent entsprach. Diese Zahl erhöhte sich bis 1997 auf 7,4 Millionen oder 9 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Jeder Elfte in Deutschland ist ein Ausländer

Für das Jahr 2001 weist die Statistik eine leicht stagnierende Ausländeranzahl von noch 7,3 Millionen oder 8,9 Prozent der Gesamtbevölkerung - jeder Elfte in Deutschland - auf. Dies erklärt sich aber nicht durch Wegzug oder Abwanderung, sondern durch die erleichterte Einbürgerung. Die Anzahl derer, die die deutsche Staatsbürgerschaft erhielten, stieg von 143.00 im Jahr 1999 auf ein Rekordhoch von 186.700 im Jahr 2000 und veränderte sich 2001 geringfügig auf nunmehr 178.100.

Von den insgesamt in Deutschland lebenden 82,6 Millionen Menschen sind etwa 75 Millionen auch deutsche Staatsangehörige. Unter den 7,3 Millionen Ausländern stellen die 1,9 Millionen Türken mit einem Anteil von 26,6 Prozent die bei weitem größte Nationalitätengruppe, was hauptsächlich an der aufwendig betriebenen Gastarbeiter-Anwerbung in den sechziger und siebziger Jahren liegen dürfte. Außerdem nutzen vor allem die Türken in Deutschland die Möglichkeiten des Familiennachzugs.

Zwar stammten fast ebenso viele Menschen aus den Ländern der Europäischen Union, doch aufgeschlüsselt auf die Einzelstaaten hat keine andere Nation auch nur annähernd einen so großen Anteil an der Gesamtbevölkerung in Deutschland wie die Türkei.

Man kann konstatieren, daß die Zunahme der Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik nicht einer natürlichen Entwicklung folgt, also Wachstum durch Geburtenüberschuß, sondern vielmehr als eine durch Zuwanderung induzierte künstliche Entwicklung funktioniert. Dies ist bereits seit mindestens 20 Jahren der Fall. Die Abnahme der Bevölkerung 1997 ist demnach auch durch den vermehrten Wegzug von Ausländern in diesem Jahr zu erklären, genauso wie die diesjährige Zunahme an Bevölkerung durch vermehrten Zuzug.

Trotzdem wird in den meisten Zeitungen davon gesprochen, daß die Zahl der Deutschen wachse. Tatsächlich wird einem damit der Blick verstellt für die Entwicklung der Deutschen, die durch Geburtenrückgang, hohe Sterbequote und wirtschaftlich bedingte Abwanderung ins Ausland tatsächlich weniger und älter werden.


 
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