© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/03 10. Januar 2003

 
Früher hätte man Hexe gesagt
Gentechik: Spekulationen um Klonexperimente der Sektenbischöfin Brigitte Boisselier reißen nicht ab
Angelika Willig

Nachdem die erste Aufregung verklungen ist, scheint man sich auf ein jahrelanges Rätselraten um das Klonbaby "Eve" eingestellt zu haben. Erst dann wird man über seine Echtheit urteilen können, meinen viele, wenn es das Alter erreicht hat, in dem es seiner Mutter beziehungsweise deren alten Kinderbildern frappierend zu ähneln beginnt.

In dieser längerfristig angelegten Ungewißheit wird das Publikum noch bestärkt durch die vielen gehaltvollen ethischen Beiträge, die seit knapp vierzehn Tagen in allen Zeitungen erscheinen, das Klonen von vielen Seiten beleuchten, doch die Frage, ob denn nun wirklich ein Mensch geklont wurde oder nicht, vornehm im Dunkeln lassen.

Dabei könnten wir, wenn die Biochemikerin und Sekten-Bischöfin Brigitte Boisselier es nur zuließe, binnen zwei Stunden völlige Gewißheit darüber haben, ob es sich bei Eve um ein mit seiner Mutter genetisch identisches Wesen - einen nachgeborenen Zwilling - handelt oder nicht. Der einfachste Test zur Feststellung der genetischen Identität ist der in der Kriminalistik bereits erfolgreich eingesetzte "genetische Fingerabdruck". Mit wenigen Körperzellen aus Speichel oder Haut läßt sich ein Profil erstellen, das absolut individuell ist. Besitzt ein Lebewesen das gleiche Profil, so muß es ein eineiiger Zwilling sein - oder eben ein Klon. Warum läßt Boisselier diesen Test bei ihrem Versuchsbaby nicht machen? Statt dessen meldet sie nun schon das zweite und kündigt drei weitere an. Ihre Begründung klingt absurd: Die 31jährige Mutter wolle ihr Kind noch eine Weile "ganz für sich allein" haben. Wenn sie das wollte, hätte sie sich nicht ausgerechnet für eine "Jungfrauengeburt" entscheiden sollen. Wenn sie zudem der Raelianer-Sekte angehört, müßte sie sich doch als Auserwählte fühlen.

Die einzig plausible Begründung für die Geheimniskrämerei ist das Mißlingen des Experiments, mit welchen Opfern auch immer. Wie bei der Abtreibung wird es eines Tages heißen: Besser, es macht ein Profi. Denn genau so, wie man sich immer eine Engelmacherin vorgestellt hat, sieht Madame Boisselier aus.


 
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