© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/03 10. Januar 2003

 
Sogar Chinesen wurden "eingebürgert"
Europa II: Rumänische Pässe für Ukrainer und Moldawier als Eintrittskarte in die EU / Kiew verärgert
Stephanie Andon

Nach den Beschlüssen des Europäischen Rates in Kopenhagen vom Dezember 2002 ist für Rumänien und Bulgarien die Perspektive eines EU-Beitritts für das Jahr 2007 eröffnet worden. Allerdings ist 2007 ein von den beiden ehemals kommunistischen Staaten selbst gestecktes Ziel - die EU verlangt vor einem Beitritt die Erfüllung strenger Kriterien und hat sich lediglich bereit gezeigt, die beiden Balkan-Länder bei ihren Bemühungen verstärkt zu unterstützen, ohne eine feste Verpflichtung zur Aufnahme der beiden Länder an dem besagten Datum einzugehen.

Dabei haben die zwei Länder noch einen schwierigen Weg vor sich. Was Rumänien anbelangt, so kommen die wirtschaftlichen Reformen, trotz einiger guter makroökonomischen Zahlen für dieses Jahr (voraussichtlich vier Prozent Wachstum, Inflation auf etwa 20 Prozent gedrosselt), immer noch schleppend voran. Von der EU beanstandet wurden immer wieder mangelnde Reformen im Bereich der Justiz und der öffentlichen Verwaltung (einschließlich im Bereich der Handhabung von EU-Geldern), sowie die weiterhin grassierende Korruption auf allen Ebenen.

Ein zusätzliches Problem entspringt aus der spezifischen geographischen Lage Rumäniens. Das Land, das im November die Einladung erhalten hat, der Nato beizutreten und nach 2007 auch der EU beitreten soll, wird dann voraussichtlich die östliche Grenze des euroatlantischen Raumes stellen. Angesichts der Tatsache, daß die rumänischen Staatsbürger seit dem Januar 2002 auch visumfrei in den EU-Schengen-Raum reisen können, gewinnt die rumänische Staatsangehörigkeit zunehmend an Attraktivität in erster Reihe für die Bürger der benachbarten Länder Moldawien und Ukraine. Dies um so mehr, da die Mehrheit der Moldawier ethnische Rumänen sind, und auch in der Ukraine eine ziemlich starke rumänische Minderheit wohnt - über deren genaue Zahl bestehen zwischen Bukarest und Kiew aber unterschiedliche Meinungen.

Infolge des Ribbentrop-Molotow-Paktes sind im Jahre 1940 rumänische Territorien im Osten und Norden des Landes - samt ihren Einwohnern - von der Sowjetunion annektiert worden: die Provinz Bessarabien wurde, zusammen mit einer Region östlich des Dnjestr, zur Moldawischen Sowjetrepublik, während die Nordbukowina und das Hertza-Gebiet Bestandteil der Sowjet-Ukraine wurden. Nach dem Zerfall der Sowjetunion hat Bukarest den Versuch einer "moralischen Entschädigung" für die ethnischen Rumänen in den zwei nun unabhängig gewordenen Staaten unternommen und ihnen aufgrund eines 1991 verabschiedeten Gesetzes die Möglichkeit geboten, die rumänische Staatsbürgerschaft anzunehmen.

Zigtausende Bürger Moldawiens und der Ukraine besitzen seither die doppelte Staatsangehörigkeit, allerdings insgeheim, da dies in den zwei Ländern gesetzlich verboten war. Erst kürzlich hat das moldawische Parlament in Chisinau den Bürgern des Landes das Recht auf doppelte Staatsangehörigkeit eingeräumt. Hinzu kommt übrigens auch noch die Tatsache, daß auch zahlreiche andere "Weltbürger", von Chinesen bis Pakistanis, ob berechtigt oder nicht, die rumänische Staatsangehörigkeit erlangen konnten, wenn sie die notwendigen 1.000 Dollar Schmiergeld bezahlten.

Es scheint jedoch, daß ein rumänischer Paß nicht nur für die ethnischen Rumänen in den benachbarten Ländern attraktiv geworden ist. Im Herbst dieses Jahres waren in Kiew Klagen zu hören, daß Bukarest eine Kampagne führe, um auch Ukrainer dazu zu animieren, rumänische Pässe zu beantragen. Das hat Befürchtungen aufkommen lassen, daß Bukarest versuchen könnte, seinen Einfluß in den ehemaligen rumänischen Territorien zu verstärken. Ob es dabei um eine gezielte Kampagne seitens der rumänischen Behörden geht, ist allerdings unklar. Zwischen Rumänien und der Ukraine bestehen, trotz der Unterzeichnung des bilateralen Grundsatzvertrags 1997, weiterhin Differenzen, etwa was den Verlauf der gemeinsamen Grenze anbelangt oder die Behandlung der jeweiligen Minderheiten. Der ukrainische Präsident Leonid Kutschma hat Anfang November 2002 sogar die Befürchtung geäußert, Rumänien könnte territoriale Ansprüche erheben, was jedoch von Bukarest als ein Versuch abgetan wurde, im Vorfeld des Nato-Gipfeltreffens in Prag, wo Rumänien die Beitrittseinladung erhalten sollte, die Aussichten zu trüben.

Tatsache ist, daß auch ohne eine Lockkampagne Bukarests der Besitz eines rumänischen Passes für die Bewohner der Ukraine durchaus attraktiv erscheint, denn es sichert den freien Verkehr durch den Schengener-Raum und zukünftig vermutlich sogar den Zugang zu dem europäischen Arbeitsmarkt.

Die rumänischen Behörden haben einige Maßnahmen ergriffen, um den Mißbrauch in diesem Bereich einzudämmen. So wird ab Frühjahr dieses Jahres die rumänische Staatsangehörigkeit nicht mehr von den Polizeirevieren ausgehändigt, sondern vom Justizministerium. Auch ist die Prozedur etwas erschwert worden, sie ist jedoch bei weitem nicht so streng wie in vielen EU-Staaten. Zu erwähnen wären auch die Bemühungen zur besseren Sicherung der Ostgrenze Rumäniens, der künftigen EU-Grenze.

Mit Hilfe von EU-Geldern (im Rahmen des PHARE-Programms) sind die Grenzkontrollpunkte mit moderner Technik ausgestattet worden. Für die entsprechende Sicherung der Grenzen würde Rumänien in den nächsten Jahren an die 330 Millionen Euro brauchen, die es von der EU zu erhalten hofft. Infolge der Einführung der Visumfreiheit für die Rumänen Anfang 2002 sind auch die Grenzüberschreitungsbedingungen für die moldawischen Bürger erschwert worden, die jetzt nicht mehr wie früher nur aufgrund eines Identitätsausweises nach Rumänien einreisen können, sondern dafür einen Paß brauchen. Es gibt sogar Erwägungen, die Visumpflicht für die Moldawier einzuführen - die für die mit rumänischem Paß allerdings nicht bestehen würde.


 
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