© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/03 03. Januar 2003

 
PRO&CONTRA
Kirchenaustritt wegen Segnung von Homo-Ehen?
Helmut Arhelger / Stephan Krebs

Seit der Reformation ist die Bibel (Altes Testament und Neues Testament) alleiniger Maßstab der Evangelischen Kirche. Wenn die Kirche Gottes Wort als Grundlage ihres Bekenntnisses verläßt und sich vor dem Zeitgeist beugt, wie im Falle der Segnung homosexueller Paare geschehen, hat sie aufgehört, Kirche im reformatorischen Sinne zu sein.

Denn Kirche darf nicht segnen, was nach dem Zeugnis der gesamten Schrift verwerflich ist, vergleiche unter anderen im Brief des Paulus an die Römer Kapitel eins, Verse 26 und 27. Daß dabei die Gemeinden und Pfarrer je nach Einstellung handeln können, paßt zu der Beliebigkeit einer Kirche, die keine klare Linie mehr hat.

Obwohl seit Jahren viele Kirchenmitglieder und ganze Gemeinden nach der Devise "auftreten statt austreten" protestierten, hat sich an der Haltung der Kirche nichts geändert.

Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß ein Kirchenaustritt zutiefst eine innere, geistliche Entscheidung ist, die unser Gewissen vor Gott berührt und daher nicht leichtfertig geschehen kann. Dennoch rate ich dazu, durch Austritt und Entzug der Kirchensteuer unübersehbare Zeichen zu setzen.

Der schon Jahre währende Niedergang der Institution Kirche wird weitergehen, wenn nicht das Kirchenvolk nach dem Motto "Wir sind das Volk" den Kirchenleitungen die rote Karte zeigt. Vielleicht kann dieses Verhalten bei ihnen ein Umdenken bewirken.

Mit dem Kirchenaustritt legt der Gläubige nicht sein Bekenntnis ab, sondern wird sich eine neue Gemeinde suchen, in der Gottes Wort alleiniger Maßstab ist.

 

Helmut Arhelger, Rektor a.D. der hessen-nassauischen Synodale, war mehr als 20 Jahre berufenes Mitglied einer Dekanatssynode. Er gehörte sechs Jahre der Landessynode an.

 

 

In ihrer Außenseiternische haben Homosexuelle verschiedene Lebensformen entwickelt. Die schrillen davon sind nach außen besonders sichtbar und stoßen viele konservative und pietistische Christen ab. Aber um die geht es nicht. Es geht um die, die eine dauerhafte und auf gegenseitige Verantwortung angelegte Partnerschaft eingehen und dafür um den Segen bitten. Sie legen an ihr Leben und ihre Partnerschaft christliche Wertmaßstäbe an und wissen, daß sie dabei, wie alle Partnerschaften heute, gefährdet sind. Einige evangelische Kirchen wollen ihren Gemeinden nun ermöglichen, solchen Paaren den Segen Gottes zuzusprechen. Darüber gibt es derzeit keinen Konsens.

Wer nun über Austritt nachdenkt, muß für sich klären: Ist das wirklich der entscheidende Austrittsgrund? Homosexualität ist keine Bekenntnisfrage sondern ein ethisches Thema von vielen. Die Kirche tut sehr viel mehr. Wird all das wirklich dauerhaft vom Schatten dieses einen Themas verdunkelt? Ich meine: Nein. Jetzt hilft uns nur, im gegenseitigen Respekt voreinander beieinander zu bleiben. Sonst zerfällt das großartige Gottesgeschenk der Kirche Jesu Christi immer weiter in kleine Gesinnungsgemeinden. Die Vision vom Volk Gottes hat einen sehr viel größeren Horizont und einen sehr viel längeren Atem.

Dispute über die Bibelauslegung sind so alt wie die Kirchengeschichte. Falsch ist jetzt die Polarisierung in die, die die Bibel angeblich wörtlich und ernst nehmen, gegenüber denjenigen, die die Bibel angeblich dem Zeitgeist opfern. Alle Seiten ringen um das rechte Leben im Geist der Bibel.

Das kirchliche Leitbild für Beziehungen ist und bleibt Ehe und Familie. Wenn Ehe und Familie Schutz brauchen, dann bei ihrer praktischen Umsetzung in unserer komplizierten Gesellschaft. Das Leitbild wird nicht gestärkt, indem Personen, die es in dieser Form gar nicht leben können, ausgegrenzt werden.

 

Stephan Krebs, Pfarrer, ist Pressesprecher der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.


 
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