© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52/02 20. Dezember 2002 / 01/03 27. Dezember 2002


Leser helfen Lesern: Die Abonnenten spendeten über 28.000 Euro für Flutopfer
"Ich war total verzweifelt"
Dieter Stein

In vielen Jahresrückblicken im Fernsehen und in Zeitungen wird in diesen Tagen noch einmal an die Flutkatastrophe dieses Sommers erinnert, die vor allem das Land Sachsen heimgesucht und Millardenschäden hinterlassen hat. Die JUNGE FREIHEIT hatte im August spontan eine "Aktion Leser helfen Lesern" ins Leben gerufen, nachdem sich eine verzweifelte Leserin aus Dresden gemeldet hatte und von ihrem Schicksal erzählte. Wir waren dann überrascht von der Reaktion der Leser, die dieser Aufruf zur Spende erreicht hatte.

Wir konnten es überhaupt nicht glauben, welche Summe ausschließlich durch mehrere Aufrufe in unserer Zeitung zusammenkam. Über 28.000 Euro! Dank dieses phantastischen Betrags hatten wir die Möglichkeit, tatsächlich zwei schwer von der Flut betroffenen Familien zu unterstützen.

Zuerst haben wir der Leserin Frau M. geholfen, über deren Schicksal wir in der JF bereits berichteten. Ihr war durch die Flut alles Hab und Gut im Keller verloren gegangen, vor allem das erst kurz zuvor zusammengesparte Auto, das sie in der Tiefgarage des Amtsgerichts Dresden abgestellt hatte. Diese Tiefgarage wurde von der als erstes über die Ufer getretenen Weißeritz überflutet. Beim hoffnungslosen Versuch, die bereits unter Wasser stehende Tiefgarage zu erreichen, strauchelte unsere Leserin auf der Straße und brach sich den Knöchel.

Ihr konnte bereits im August der erste Unterstützungs-Scheck in Höhe von 4.500 Euro überreicht werden. Frau M. schrieb wenige Tage später einen rührenden Dankbrief. Dort schreibt sie unter anderem:

"Nach dieser völlig unerwarteten Flutkatastrophe in Dresden war ich total verzweifelt und sah kein Licht mehr am Ende des Tunnels, meine Nerven lagen völlig blank. ... Ich bin Ihnen und Herrn Chefredakteur Stein sehr dankbar für diese große Hilfe. ... An so viel Nächstenliebe hatte ich in dieser Gesellschaft schon gar nicht mehr geglaubt. Nochmals vielen Dank für alles."

In den Tagen und Wochen danach riefen wir weiter alle Abonnenten in der Flut-Region an und erkundigten uns nach den Zuständen. Die erfreuliche Nachricht war, daß fast alle mit einem Schrecken davongekommen waren. Schließlich war nicht ganz Sachsen oder ganz Dresden überflutet worden, sondern jeweils eben bestimmte flußnahe Zonen und Stadtviertel.

Eine Telefonnummer war jedoch bis zuletzt immer besetzt gewesen. Nach mehreren erfolglosen Versuchen versuchten wir es Ende September nochmals, nachdem wir fast alle Leser der Region erreicht hatten. Nun nahm endlich jemand ab. Es war die Mutter unserer Leserin. Und jetzt erfuhren wir, was passiert war. Die Familie Niese bewohnt ein Haus im Dresdner Stadtteil Laubegast, das praktisch an vorderster Front steht. Selbst bei normalem Wasserstand fließt die Elbe nur zwanzig, dreißig Meter vom Haus entfernt vorbei.

Das Telefon der Familie Niese war stets besetzt gewesen, weil der Telefonkasten im Erdgeschoß komplett unter Wasser gestanden hatte und zerstört worden war. Das Haus, in dem die drei Generationen der Familie wohnen - Kinder, Eltern und Großeltern -, wurde schwer getroffen. Eine neue Heizung konnten die Nieses mit letzter Kraft finanzieren, das Erdgeschoß aber, in dem die beiden in Ausbildung befindlichen Töchter gewohnt hatten, könne nicht renoviert werden, alles in allem gäbe es 50-60.000 Euro Schaden, rechnete mir die Mutter vor.

Anfang November war endlich Zeit für einen Besuch. Es sah wirklich schlimm aus. Die Familie ist zusammengerückt im ersten Stock, die Eltern schlafen auf der Ausziehcouch im Wohnzimmer, die Töchter sind wieder nach oben gezogen. Im Erdgeschoß konnte außer der Heizung nichts gemacht werden, selbst ordentliche Bau-Trockner waren nicht zu finanzieren.

Anne-Kathrin Niese (22), unsere Abonnentin, erzählte, daß außer einer Soforthilfe des Roten Kreuzes von einigen Hundert Euro bisher keine Spenden- oder Unterstützungsgelder bei ihnen eingetroffen seien.

Die einzigen, von denen diese Familie nun völlig überraschend Hilfe angeboten bekam, war die JUNGE FREIHEIT, deren Leser Geld gesammelt hatten, um anderen Lesern solidarisch zu helfen. Wir konnten einen Scheck über 15.000 Euro überreichen, der eine große Hilfe für die betroffene Familie bedeutet.

In einem Brief schrieb unsere Abonnentin kurz darauf:

"Meine Familie und ich - wir möchten uns ganz herzlich bei allen Spendern der 'JUNGEN FREIHEIT' bedanken. Wir werden jeden Euro sinnvoll zur Renovierung und für den Erwerb neuer Einrichtungsgegenstände nutzen. Solche Menschen wie Sie und ihre Spender machen nicht nur Mut und geben Kraft, sie zeigen uns auch, daß es wieder eine Entwicklung vom 'Ich' zum 'Wir' gibt."

Die JF hat damit insgesamt 19.500 Euro an Spendengeldern aus dem Topf "Leser helfen Lesern" direkt überreichen können. Rechnerisch sind noch rund 8.000 Euro übrig. Den Aufwand für die Anzeigen und die Fahrten nach Dresden hat der Verlag getragen. Der Rest der Spendensumme fließt in einen "Sozialfonds" der JUNGEN FREIHEIT, aus dem wir besonders Lesern helfen, die sich aufgrund der aktuellen schlechten wirtschaftlichen Lage ein reguläres Abonnement der Zeitung nicht mehr leisten können und denen wir damit ein günstigeres Abo oder notfalls ein befristetes Frei-Abo finanzieren können. Außerdem halten wir noch Geld zurück, falls uns noch ein Hilferuf eines bisher nicht ermittelten Flutopfers unter unseren Lesern erreicht. An dieser Stelle noch einmal Tausend Dank an alle Spender unter unseren Lesern! dieter Stein

Fotos: brig ist ein Haufen Sperrmüll: Das Haus von Familie Niese nach dem Abfluß des Wassers. Meterhoch türmen sich die Trümmer zerstörter Möbel, Sandsäcke und Schlamm.

Auf dem Foto links deutet JF-Abonnentin Anne-Kathrin Niese die Höhe an, bis zu der im Erdgeschoß das Elbwasser gestiegen ist. Auf den Fotos oben überreicht JF-Chefredakteur Dieter Stein Spenden-Schecks der Aktion "Leser helfen Lesern" an Flutopfer in Dresden.


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