© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52/02 20. Dezember 2002 / 01/03 27. Dezember 2002

 
Meldungen

Partner bei der Arbeit am Weltethos

FREIBURG. Der Islam sei eine militante, der Buddhismus hingegen eine friedfertige Religion. Mit diesen Schablonen werden zwei Weltreligionen nicht nur im öffentlichen Bewußtsein unterschieden, sondern auch namhafte Religionswissenschaftler pflegen bis heute diesen Kontrast. Der Göttinger Orientalist Gebhard Löhr versucht nachzuweisen, daß eine solche vereinfachende Gegenüberstellung wissenschaftlicher Kritik kaum standhalte (Saeculum, 2/02). Am srilankischen Buddhismus glaubt Löhr strukturell ähnliche Züge der "Militarisierung" aufzeigen zu können wie im militanten Islamismus. Dem modernen Buddhismus auf Sri Lanka (Ceylon) sei es seit Jahrzehnten keineswegs nur um die "spirituelle Regeneration der Menschheit" gegangen. Löhr stützt sich dabei auf die Forschungen des aus Ceylon stammenden US-Anthropologen Stanley J. Tambiah, der zahlreiche Beispiele dafür nenne, wie der bürgerkriegsartige Konflikt, der auf Sri Lanka zwischen Singalesen und Tamilen ausgetragen werde, von buddhistischen Mönchen angeheizt wurde. Löhr leitet daraus und aus defensiven Definitionen des "Heiligen Krieges" die These ab, daß der Islam nicht nur mit dem Christentum eine Tendenz zur gewaltsamen Durchsetzung religiöser Ziele gemein habe. Ähnlich wie es im Buddhismus sehr heterogene Positionen zur Gewalt gebe, sei auch der Islam von einer solchen Vielgestaltigkeit, daß Raum zur Zusammenarbeit mit Religionen bei der Ausgestaltung eines "Weltethos" bleibe.

 

Außenpolitik: Nicht mehr länger nur Zivilmacht

WIESBADEN. Weicht die Berliner Republik vom alten Bonner "Tugendpfad multilateraler Einbindungspolitik" ab? Ein Indiz dafür könnte sein, so der Politologe Gunther Hellmann (Politische Vierteljahresschrift, Heft 3/02), daß die Produktion wissenschaftlicher Abhandlungen zum Thema Außenpolitik in den neunziger Jahren geradezu "explodiert" sei. Die Handlungsspielräume scheinen also zumindest von den akademischen Experten für "internationale Beziehungen" neu vermessen zu werden. Obwohl Hellmann als Anhänger der alten "Kultur der Zurückhaltung" viele Anzeichen der Kontinuität zwischen Bonn und Berlin entdeckt und daran glaubt, daß Deutschland weiter nur als "Zivilmacht" im Konzert der Mächte eine Rolle spiele, übersieht er nicht die Hinweise dafür, daß seit 1998 sich Unbehagen breit- macht an der tradierten Identität eines "Handelsstaats Deutschland". Mit Blick auf die wachsende Zahl Berliner "Großmachtstrategen" sei nicht einmal auszuschließen, daß ausgerechnet die Regierungsübernahme durch Rot-Grün 1998 bald schon im Rückblick ein historisches Datum markiere: den des weitreichendsten Einschnitts in der Geschichte der deutschen Nachkriegsaußenpolitik. Wie eine Bestätigung Hellmanns wirkt da die jüngste Definition Peter Strucks, wonach Deutschland zukünftig auch am Hindukusch verteidigt werde.

 

Erste Sätze

Die Einsamkeit und die Stille dort draußen sind so groß, daß die Fischer zu singen beginnen bei Nacht.

Rolf Dircksen: Die Insel der Vögel, Essen 1938


 
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