© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52/02 20. Dezember 2002 / 01/03 27. Dezember 2002

 
UMWELT
Fröhliche Weihnachten
Volker Kempf

Die Wirtschaft lahmt in Deutschland ganz schrecklich. Mehr Wirtschaftswachstum muß her. Da wurde das Weihnachtsgeschäft als Retter in der Not entdeckt. In manchen Einkaufsstraßen leuchteten schon Anfang November die Glühbirnen in Form von Schneeflöckchen (und Alarm-Glocken) aneinandergereiht. Der Startschuß für die Fahrten auf den Rolltreppen im Neonlicht der Kaufhäuser war damit gefallen. Die Blicke sind auf Konsumartikel gerichtet, Menschen fahren vorüber. Weihnachtsstreß nennt man das. Auch wurden die Warteschlangen am Paketschalter im Dezember immer länger. Zuletzt reihen sich die Menschenmassen an den Fleischtheken aneinander wie zu DDR-Zeiten. Für die betreffenden Tiere wird das geheiligte Fest damit zu einer Erlösung aus der Gefangenschaft des Menschen. Und so manche Tageszeitung stürzte sich auf die örtlichen Pelzhändler, sie mögen doch bitteschön Anzeigen schalten; dafür gab es dann auch schon einmal einen redaktionell aussehenden Artikel gratis hinzu. Der Inhalt ist entsprechend. Vom Leid der Wildtiere in kleinen Käfigen ist keine Rede. Ob das im Sinne von Jesus Christus ist? Da hätte sicher nicht nur Franz Alt seine Zweifel.

Wer in Deutschland über die auf dem Kopf stehende Bevölkerungspyramide klagt und nach mehr Einwanderern und Geburten ruft, der konnte in der Weihnachtszeit die Erfahrung mit Dichtestreß machen, etwa im stets überfüllten U-Bahnhof am Kölner Hauptbahnhof. Sind die anstrengenden und hoffentlich lehrreichen Erfahrungen erst einmal gemacht, winkt der Lohn der Strapazen. Geschenke werden ausgetauscht, gutes Essen wird verspeist. Die Stimmung ist fröhlich-besinnlich. Das ist zwar nicht immer und überall so, aber allen zu wünschen.


 
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