© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52/02 20. Dezember 2002 / 01/03 27. Dezember 2002

 
Kirche provoziert Massenaustritte

Die Evangelische Kirche in Deutschland erwartet eine Austrittswelle sehr großen Ausmaßes, die die der Nachwendezeit noch übertreffen könnte. Indiz dafür sind zahlreiche Personen aus dem öffentlichen Leben, die mit Offenen Briefen ihren Unmut kundtun. Dies steht im direkten Zusammenhang mit der synodalen Entscheidung, homosexuellen Paaren in der Kirche den Segen zu erteilen. Von den 24 Landeskirchen entschieden sich Berlin-Brandenburg, Hessen-Nassau, Braunschweig, Nordelbien, Pfalz und Rheinland für die "gottesdienstliche Begleitung von homosexuellen Partnerschaften." 16 sind noch unentschieden, Bayern und Hannover schlossen Kompromisse, während lediglich Westfalen und Württemberg dagegen votierten.

Erika Steinbach, Bundestagsabgeordnete der CDU, Chefin des Bundes der Vertriebenen und bis dato Mitglied der hessen-nassauischen Kirche, faßte ihren Protest in einem Offenen Brief an den Kirchenpräsidenten Peter Steinacker zusammen. Das Maß sei voll, heißt es dort. Steinbach fühle sich einmal mehr nicht in ihrer Kirche geborgen, sondern "in ein höchst weltliches politisches Schlachtfeld geworfen." Weiter schreibt sie: "Ein vorbildliches Leben nach den zehn Geboten wird nicht einmal ernsthaft den Pfarrern abverlangt. Scheidungen und außereheliche Verhältnisse von Pfarrern sind an der Tagesordnung." Wer die heilge Schrift so hinbiegen würde, wie er es gerade bräuchte, der solle ganz darauf verzichten und nicht den Talar gegen die Bibel mißbrauchen, so die 59jährige. Sie verließe nach reiflicher Überlegung die Kirche in tiefer Trauer.

Selbst innerhalb der Kirche führte die Segnung zu Spannungen. Auf Kritik von Hermann Barth, Vizepräsident des Kirchenamtes in Hannover, der Konsens sei nun brüchig geworden, reagierte Karl Heinrich Schäfer, Präses in Frankfurt, sehr forsch: "Wir sind nicht katholisch, und Hannover ist nicht der Vatikan!"


 
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