© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/02 13. Dezember 2002

 
Poesie und Polemik
Neue Lieder von F. Baunack
Ellen Kositza

Ein Schiff hat seine Segel gesetzt und tanzt über hohen Wellenbergen. Als der ABC-Schütze das Bild gemalt hatte, gab er ihm einen Titel: "ent liech Vrei" steht mit krakeliger Kinderhand im Himmel über dem Meer geschrieben. Das Kind ist keines mehr, doch ist der Bildtitel eine Losung geworden für Friedrich Baunack, Vater des nunmehr erwachsenen Sohnes und Liedermacher, der mit "Endlich frei" seine zweite CD besungen und bespielt hat.

Baunack, Sachse, Weltreisender und seit einigen Jahren Wahlhesse, ist ein politischer Mensch. Seine Lieder aber, wenn auch nicht sämtlich frei von scharfer Zunge und mancher Polemik, sind grundiert in Poesie und Wärme. Das unterscheidet Baunack von programmatischen Politbarden, und deshalb hört er auch die Bezeichnung "Liedermacher" nicht gern auf sein Schaffen angewendet - Lieder würden schließlich gefunden, nicht "gemacht".

Daß es keine "geleckten Studio-, sondern Momentaufnahmen" seien, die den Zuhörer hier erwarten, schreibt der Musiker im - übrigens reich und ausdrucksstark bebilderten - ausführlichen CD-Beiheft selbst, er spricht hier von "Momentaufnahmen meiner Ahnungen, meiner Zweifel, meines Erbes, meines Glückes und meiner Liebe." Erbe, Glück und Liebe findet Friedrich Baunack vor allem in seiner Familie, und darum sorgen Frau und Kinder auch hier wieder für stimmliche wie instrumentale Unterstützung.

Was Baunacks neuen Silberling von seinen früheren Einspielungen grundsätzlich unterscheidet, ist, daß auch auf volkstümliches Liedgut und Klänge aus dem Wandervogel-Repertoire zurückgegriffen wurde, auf den "König von Thule" etwa oder die "Kleine verlorene Schar", die sich die Baunacks zur einer Art Familienhymne erkoren haben. Hier muß sich das Hörerohr an die völlig unklassische Darbietungsweise erst gewöhnen. Wer die bunte Familie, die einst über Jahre samt Kinderschar durch den Orient zog, kennt, weiß, daß ihnen Noten genauso wie jegliche Konvention nur als ein Angebot gelten, daß ebenso ausgeschlagen oder zumindest variiert werden darf.

Die Glanzlichter der CD bleiben die selbstkomponierten Stücke, etwa die intelligent-bissige "Festansprache" zum 150. Jahrestag der 1848er Revolution, die Baunack einen "Dr. Helmut Joschka Schröder-Schmalz-Süßmuth" halten läßt: "Wir stehen für Menschenwürde und-recht/ Wer gegen uns ist, ist daher zwangsläufig schlecht,/ denn wir sind - ganz bescheiden - die Erben der alten, / geschichtlichen Freiheits-Lichtgestalten..."

Das Besondere, das Eigene an Baunack ist, im Gegensatz zu seinen rein politisch-weltanschaulich gestimmten Sangeskollegen, daß in seinen Liedern der Unterton des verbitterten gesellschaftlichen Verlierers keinen Platz findet. Letztlich ist alles durchdrungen von Liebe und Hoffnung, denn das "Testament", so der Titel des vielleicht schönsten Liedes, ist längst gemacht, und es ist ein lebendiges Zeugnis: "Ach Liebste, laß doch die Winde heulen,/ Unsern Sommer erreicht kein Winter mehr; / und Liebste, laß auch die Meute jaulen,/ wie erbärmlich ist ihre geifernde Gier: Sterben wir, so lebten wir doch,/ voller Lust und Liebe noch/ bis zum letzten Zug/ aus Gaias Krug..."

Bezug der CD über: Friedrich Baunack, Stomerpfalz, 36199 Wüstefeld, Tel.: 0 66 23 / 4 21 37.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen