© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/02 13. Dezember 2002

 
Pankraz,
die Habsburger und die Demokratie als Gott

"Der Gott, der keiner war", hieß vor fünfzig Jahren ein berühmtes Buch, im englischen Original: "The God that failed", herausgegeben und bestückt von André Gide, Arthur Koestler, Ignazio Silone und anderen herausragenden Ex-Kommunisten. Der Gott, der keiner war, war damals der Kommunismus, und die Abrechnung mit ihm durch Koestler & Co. geriet furios und überzeugend.

"Democracy. The God that failed", heißt jetzt ein neuer englischsprachiger Titel. Sein Autor ist Hans-Hermann Hoppe, amerikanischer Wirtschaftsprofessor an der Universität von Las Vegas und Herausgeber der "Libertarian Studies", eines nicht einflußlosen Organs der sogenannten Libertarianer. Die Libertarianer sind Propagandisten des "reinen" Kapitalismus, die den Staat für das größte Übel der Welt halten und ihn am liebsten abschaffen möchten. Es sind Neoliberale, ja, Ultraliberale mit fließenden Übergängen zum Anarchismus.

Bisher galten sie als treue Anhänger der Demokratie ("wenn schon Staat, dann wenigstens Demokratie"), aber nun scheint sich das zu ändern. Die Kernthese des Buches von Hoppe ist, daß der Kapitalismus mit der Monarchie eindeutig besser zurechtkommt als mit der Demokratie, daß die Demokratie sich in den letzten Jahrzehnten geradezu zum Feind jedes freien Wirtschaftens entwickelt hat und jeder "natürlichen Ordnung" der Dinge ("natural order") im Wege steht.

Das sind natürlich riskante Thesen. In Deutschland würde Hoppe längst vom Verfassungsschutz "beobachtet", denn in Deutschland firmiert die Demokratie heute als Gott, als der einzige, an den man noch glauben muß. Was Hoppe schreibt, klingt hierzulande wie schlimmste Häresie.

Gutes Wirtschaften, schreibt er, braucht privates Eigentum, denn nur für das, was einem wirklich gehört, übernimmt man auch wirklich Verantwortung, steht dafür ein, versucht, es zu mehren, mit Glanz zu versehen und zu beschützen. In der Monarchie "gehört" der Staat den Monarchen und ihren Exekutoren, und deshalb bewirtschaften sie ihn gut, mit Augenmaß und Eigeninitiative.

In der Demokratie ist das nicht der Fall, denn der Staat gehört dort allen und keinem, so wie die Wirtschaft in den kommunistischen Staaten des Ostblocks allen und keinem gehörte, dem "Volke" ("Volkseigentum"!), mit bekanntlich katastrophalen Folgen. Keiner fühlte sich mehr für die Wirtschaft wirklich verantwortlich, und so verkam sie zum Sumpf und zur ökonomischen Lachnummer. Genau so, sagt Professor Hoppe, wird es früher oder später (eher früher) auch dem der Demokratie in die Hände gefallenen Staat ergehen. Er wird zum Sumpf und zur Lachnummer, und alle werden darunter zu leiden haben.

Als Beispiel für eine gelungene Allianz von Monarchie und Kapitalismus feiert Hoppe, ein leidenschaftlicher Anhänger der "österreichischen Schule" in der Wirtschaftswissenschaft (Ludwig von Mises, Murray N. Roth-bard) originellerweise die alte Habsburger k.u.k. Monarchie. In ihrer Zerschlagung durch US-Präsident Wilson nach dem Ersten Weltkrieg sieht er das Grundübel der politischen und kulturellen Moderne, nicht nur ein Verbrechen, sondern eine Riesendummheit seitens der Sieger, mit der sie sich langfristig ihr eigenes Grab geschaufelt hätten.

In peniblen Einzelstudien wird zu zeigen versucht, wie delikat und haushälterisch die Habsburger mit "ihrem" Staat umgegangen seien. Sie dachten nicht daran, sich in umverteilerischer Absicht in die "natural order" einzumischen, begnügten sich mit der Installierung von effizienter, möglichst korruptionsfreier Verwaltung und gutem Schulwesen, förderten die Regionalisierung und brachten es so zu einer für damalige Verhältnisse beträchtlichen wirtschaftlichen Blüte, nicht nur in Wien und in Böhmen, sondern auch in Galizien, Kroatien und anderswo.

Mit dieser Idylle wird nun also, durchaus zornig, das Wüten des demokratischen Staates gegen Wirtschaft und "natural order" konfrontiert, seine ewige Umverteilerei, seine konfiskatorischen Besteuerungspraktiken, seine verschwenderische Ausgabenpolitik, der Griff in die Rentenkassen, das Leben auf Kosten kommender Generationen, der verantwortungslose Umgang mit den Fragen der Zuwanderung. Und Hoppe läßt keinen Zweifel daran: Nicht einzelne Politiker oder Parteien sind daran schuld, sondern das System als solches, die Demokratie, in der die Einfallslosen auf Kosten der Kreativen leben, die Initiativelosen auf Kosten der Unternehmungsfreudigen, und das alles auch noch im Namen von "Gerechtigkeit".

Wer das Buch Hoppes aus der Hand legt, hat zumindest eines gelernt: Ein Gott ist die Demokratie bestimmt nicht. Sie ist ein Regierungssystem unter anderen, mag sein eine Unausweichlichkeit im Zeitalter der Massen und der Medien, aber beileibe kein Heilmittel für alles und jedes. Und sie kann, genau wie Monarchie oder Aristokratie, ebenfalls leicht zur Unfreiheit, zur Tyrannis entarten, sogar zu einer besonders bitteren Form von Tyrannis, nämlich zur Ochlokratie, der Herrschaft des Pöbels, unter der dann jede Form von "natural order" auf den Kopf gestellt wird.

Alle prominenten Vordenker in der Politik, von Aristoteles bis Winston Churchill (und allenfalls mit Ausnahme von Rousseau) haben das übrigens gewußt. Hoppe läßt es sich speziell angelegen sein, die diesbezüglichen Überlegungen der amerikanischen Gründerväter zu untersuchen. Dabei kommt heraus: Auch sie sahen durch die Bank in der Demokratie "nothing but mob-rule", nichts als Pöbelherrschaft. Alexander Hamiltion war Monarchist, George Washington, John Adams und Thomas Jefferson waren dezidierte Aristokraten. Ihr Ideal war eine "aristokratische Republik".

Wirkten sie heute in Deutschland, würden auch sie unausweichlich ins Visier des Verfassungsschutzes geraten.


 
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