© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/02 13. Dezember 2002


Josef Motzfeldt
National und Links
von Audunn Arnórsson

Gleich der erste Punkt im neuen Regierungsabkommen der zwei Parteien, die Grönland in den nächsten vier Jahren gemeinsam regieren werden - die linke Inuit Ataqatigiit (IA) und die sozialdemokratische Siumut-Partei - verkündet das Ziel: Unabhängigkeit. In den letzten Jahren hat die Forderung nach mehr Selbstbestimmung immer mehr Zuspruch in Grönland gefunden, das im Rahmen eines Autonomieabkommens mit dem dänischen "Mutterland" von 1979 - außer in der Außen- und Sicherheitspolitik - über die eigenen Angelegenheiten selbst bestimmt. Und zwar so weitgehend, daß es 1985 wegen der Fischereipolitik aus der EG ausgetreten ist.

Josef Motzfeldt, der Vorsitzende der IA, ist der grönländische Politiker, der mehr als jeder andere seit Jahren konsequent für mehr nationale Selbstbestimmung eingetreten ist. Im Wahlkampf hatte er für 2005 eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit versprochen. Demzufolge hatte er sich berechtigte Hoffnungen gemacht, seinen Siumut-Rivalen Hans Enoksen auszustechen. Doch am vergangenen Dienstag konnte Siumut ihre Stellung als stärkste politische Kraft mit 28 Prozent im 31köpfigen Parlament, dem Landsting, verteidigen, braucht aber die 25 Prozent von Motzfelds IA, um zu regieren.

Der 61jährige Motzfeldt trägt wie die meisten Eskimo (Inuit), die 85 Prozent der Einwohner Grönlands stellen, einen dänischen Namen und hat in Dänemark eine Lehrerausbildung absolviert. Als charismatische Frohnatur, in Kombination mit einer Haltung "moderner linker" Prägung, wie die dänische Tageszeitung Berlingske Tidende schrieb, genießt er große Popularität im Lande. Respekt beim politischen Gegner hat er sich nicht zuletzt während seiner vier Jahre als Vorstandsvorsitzender der größten Firma des Landes - dem staatlichen Fischereikonzern Royal Greenland - geschaffen, und so übernimmt er nun das Wirtschaftsressort. Wie Motzfeldts Vorstellung einer nachhaltigen Wirtschaftspolitik mit der Forderung Enoksens nach ökonomisch unrentablen "Arbeitsbeschaffungsfabriken" in den kleinen entlegeneren Ortschaften verwirklicht werden soll, muß sich allerdings noch zeigen. Angesichts dieser Problematik ist beiden vermutlich auch klar, daß sich der Wunsch nach Unabhängigkeit wohl kaum realisieren läßt, solange der dänische Zuschuß zwei Drittel des grönländischen Budgets ausmacht.

Obschon Motzfeldt seit 1987, damals wurde er IA-Vorsitzender, in der ersten Reihe der grönländischen Politik mitspielt und zweimal Mitglied der Landesregierung war, ist sein Ruf nicht durch "Selbstbedienungsskandale" beschmutzt, wie der der meisten Spitzen-Politiker in Grönland, und als ungewöhnlich gilt auch, daß er sich von den nahezu ritualartigen "Sauforgien" in den Büros der Landesregierung ferngehalten hat. Motzfeld liebt dagegen die sympathische Form nordischen Lokalkolorits und genießt bevorzugt seine Lieblingsspeise, die grönländische Schafsmagensuppe.


 
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