© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    50/02 06. Dezember 2002

 
"P" statt "B"
Israel: Wie Kanzler Schröder ausgetrickst wurde
Ivan Denes

Ein Beamter im Verteidigungsministerium hat ein "P" als "B" verstanden und so entstand eine weitere Strophe der Ballade von der rot-grünen Regierungsunfähigkeit. Gerhard Schröder, flankiert von Außenminister Joseph Fischer und Verteidigungsminister Peter Struck, trat letzte Woche feierlich vor die Fernsehkameras und verkündete die Bitte Israels, "Patriot"-Abwehrraketen und "Fuchs"-ABC-Spürpanzer zu liefern. Dies könne aus Gründen der "historischen Verantwortung" Deutschlands nicht abgelehnt werden, zumal es sich um Abwehrwaffen handle.

Doch bald stellte es sich heraus, daß keine ABC- sondern APC (für Armored Personal Carrier)-Schützenpanzer angefordert wurden - das Verteidigungsministerium in Tel Aviv wollte aber nicht sagen, wo die Füchse genau eingesetzt werden sollen. Prompt entstand eine Kontroverse, denn der APC-Fuchs sei eine Angriffswaffe, er könne im Straßenkampf gegen die Palästinenser eingesetzt werden. Opposition und Teile der SPD sind für die Lieferung, Verteidigungsstaatssekretär Hans-Georg Wagner (SPD) und die Grünen sind dagegen: "Nach Auffassung der Partei darf es auf der Grundlage der bestehenden Richtlinien keinen Export geben", meinte Grünen-Chefin Claudia Roth am Montag.

Dabei bemerkten die wenigsten, daß das israelische Anliegen lediglich ein Instrument gewesen war, um Schröder seine antiamerikanischen Wahlkampfausfälle heimzuzahlen und ihn vom "deutschen Weg" abzubringen. Ein diplomatisches Husarenstück, dem sich das Trio Schröder/Fischer/Struck als nicht gewachsen erwiesen hat.

Die im Kanzleramt abgegebene feierliche Erklärung - gedacht als protokollarische Aufwertung, ähnlich der Hartz-Vorstellung im Französischen Dom - entartete, dank des "B" für "P" Lesefehlers, direkt ins Lächerliche.

Auch die "Patriot"-Flugabwehrraketen sind von begrenztem Nutzen. Sie haben 1991, als die Irakische Armee insgesamt 39 Scud-Raketen auf Israel abgefeuert hatte, nur ein einziges Mal getroffen. Das System wurde inzwischen zwar aufgewertet, aber die sechs deutschen Batterien sind bereits mehrere Jahre alt, schon Kanzler Helmut Kohl hatte sie Israel angeboten. Außerdem verfügen die Israelis über die wirkungsvolle Eigenentwicklung "Arrow". Für Kurzstreckenraketen (Typ Grad) besitzt die israelische Armee die Laserwaffe "Nautilus", die sogar Granaten abfangen und zerstören kann. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt gegeben, daß die US-Marine, zwecks des Schutzes Israels, vor der dessen Mittelmeerküste einen Aegis-Zerstörer stationieren wird. Das Aegis-System erwies sich im Zuge der jüngsten Tests als wirkungsvolle Raketenabwehr.

Militärtechnisch ist Israel kaum auf die deutschen "Patriot" angewiesen. Aber Washington und Jerusalem meinen, es sei höchste Zeit, die deutsche Außenpolitik aus ihren pazifistischen Tagträumen aufzurütteln - immerhin wird Berlin am 1. Januar wieder einmal Mitglied des UN-Sicherheitsrates, und ab 1. Februar führt Deutschland einen Monat lang sogar dessen Vorsitz. Mehr als das: die Bundesrepublik wird wahrscheinlich sogar den Vorsitz im Irak-Sanktionenausschuß übernehmen müssen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen