© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    50/02 06. Dezember 2002

 
Im Schatten des Militärschlags
US-Militär-Flugbasen in Deutschland: Zur Kriegsangst kommt noch die Furcht vor möglichen Gesundheitsschädigungen
Christian Roth

Den 28. August 1988 werden die Menschen in Ramstein vor den Toren der Barbarossa-Stadt Kaiserslautern in der Pfalz nie vergessen. Damals, an einem herrlichen Sonntag, wurden 350.000 Menschen Zeuge einer der größten Flugzeugkatastrophen, die Deutschland je erlebt hat. Am Rande einer Show auf dem amerikanischen Militärflughafen stürzte eine Kampfmaschine der italienischen Flugstaffel "Frecce Tricolori" in die Zuschauermenge. 450 Menschen wurden verletzt, 70 kamen ums Leben.

Seitdem werden die Flugbewegungen in Ramstein argwöhnisch beobachtet. Gerade jetzt in Krisen-Zeiten. Der mögliche Militärschlag der USA gegen den Irak wirft seine Schatten voraus. Wohl nirgends in Deutschland sind die Vorboten des Krieges so sichtbar wie in der Pfalz. Dort befindet sich der größte Militärflughafen Europas - eine Drehscheibe der amerikanischen Armee. Der Fliegerhorst wird im Ernstfall von der Bundeswehr innen und der Polizei außen geschützte Nachschubbasis der Luftwaffe.

Verschiedene Bürgerbewegungen machen ihrem Unmut nun Luft. Auf zahlreichen Internetseiten wird der Opfer des 28. August 1988 gedacht und an die massiven Proteste im Jahre 1991 erinnert, als Ramstein während des Golfkrieges schon einmal zum Umschlagplatz amerikanischer Militärbewegungen wurde. Die Verlautbarungen in den öffentlichen Medien werden aufmerksam verfolgt und tragen nicht unbedingt zur Beruhigung der Öffentlichkeit bei. So sorgte im Oktober die Meldung für Unruhe, daß die amerikanischen Streitkräfte beabsichtigen, bis zum Ende des Jahres 2005 ihre gesamten Luftstreitkräfte vom Frankfurter Flughafen auf die rheinland-pfälzischen Stützpunkte Ramstein und Spangdahlem zu verlegen. Während die Landesregierung nicht davon ausgeht, daß die Flugbewegungen zunehmen werden, befürchten Bürgerinitiativen massive Erhöhungen, vor allem in Ramstein. "Dort soll die zentrale Flugkoordinationsstelle in Europa entstehen. Die komplette Militärlogistik wird dort installiert werden. In Spangdahlem wird ein Reserve- und Ausweichplatz entstehen. Gerade von Ramstein aus soll der komplette Nachschub im Falle eines Krieges organisiert werden", heißt es in einem Dossier der rheinländ-pfälzischen Grünen-Fraktion. Die Öko-Partei im Mainzer Landtag ist bezeichnenderweise die einzige parlamentarische Kraft, die das amerikanische Militärtreiben kritisch hinterfragt.

Im Jahresdurchschnitt verzeichnet der Flugplatz Ramstein 120 Flugbewegungen pro Tag, in Krisenzeiten kommt schon mal die doppelte Anzahl zusammen. Für zusätzliche Verwirrung sorgen nun Medienberichte, wonach die Landesregierung mögliche Gefahren durch den Nato-Treibstoff JP8 prüfen läßt. Ein wissenschaftliches Gutachten der Universität Mainz stellte einen möglichen Zusammenhang zwischen Flugzeugtreibstoff und Krebs her - Wasser auf die Mühlen der Gegner der amerikanischen Militär-Flughäfen. Die Mainzer Ministerien wurden von der Meldung völlig überrascht. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums sagte lediglich, daß die Zuständigkeiten noch geklärt werden müssen. Im Umweltressort sprach man gar von "Spekulationen". Aus der Staatskanzlei verlautete der lapidare Hinweis, daß sich nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums die Qualität des Treibstoffes erheblich verbessert habe. Er würde weder Krebs noch Organschäden verursachen. "Die Bundeswehr verwendet doch den gleichen Treibstoff", heißt es in einer Pressemitteilung.

In der Pfalz stoßen diese Beschwichtigungsversuche zunehmend auf Unverständnis. Ohnehin ist den Bürgerbewegungen die amerikanische Dauerpräsenz auch gut ein Jahrzehnt nach Ende des Kalten Krieges ein Dorn im Auge. Von etablierter politischer Seite wird gerade in diesen Tagen fast beschwörend auf den angeblich so großen Wirtschaftsfaktor hingewiesen, den die amerikanischen Streitkräfte in der strukturschwachen Pfalz darstellen würden. Rund um Kaiserslautern wimmelt es in der Tat von Geschäften mit US-Einschlag, reihen sich Gebrauchtwagen-Filialen an Fast-Food-Ketten. Amerikaner kaufen eben bevorzugt bei Amerikanern.

Daß ein Abzug der Streitkräfte nicht zwangsläufig verbrannte Erde bewirken muß, beweist das Beispiel der Eifelstadt Bitburg. Dort räumte die US-Armee vor rund zehn Jahren das Feld - auf dem früheren Militärgelände ist mittlerweile eine florierende Industriezone entstanden. Von solchen Zuständen können die Menschen in der Pfalz derzeit nur träumen. Ohnehin herrscht seit den Anschlägen vom 11. September des vergangenen Jahres eine erhöhte Sicherheitsstufe. Nun kommen Kriegsangst und die Furcht vor möglichen Gesundheitsschäden hinzu. Von den quälenden Erinnerungen an den 28. August 1988 ganz zu schweigen. "Kein Leben nach Ramstein", schreibt ein ehemaliger Feuerwehrmann auf seiner Internetseite.


 
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