© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/02 29. November 2002

 
Neue Technologien: "Gläsernes Labor" in Berlin-Buch
So macht der Wandertag Spaß
Angelika Willig

Genforschung verstehen durch Mitmachen" lautet die Losung des "Gläsernen Labors". Das klingt angenehm demokratisch. Insgeheim fragt man sich allerdings, ob Restriktionsspaltung und Elektrophorese so einfach beim Mitmachen zu erlernen sind wie Yoga oder Töpfern. Doch wirklich, in zwei Stunden hat der Anfänger - heute heißt es Einsteiger - einen genetischen Fingerabdruck erstellt und mit den Abdrücken dreier "Verdächtiger" verglichen. Zur Überführung eines Straftäters ist also mit Hilfe der Gentechnik jeder Idiot - die Einsteiger mögen entschuldigen! - in der Lage. Das Verstehen dämpft nicht unbedingt die Furcht und den Respekt vor der neuen Wissenschaft. Je ausgereifter die Verfahren sind, desto leichter werden sie im Dienst wechselnder Interessen zu handhaben sein - und desto weniger Leute wird es geben, die wirklich Bescheid wissen. Der Versuchsaufbau erinnert etwas an das Rezept der Dr.Oetker-Backmischungen: drei Beutel öffnen, zusammenschütten und ein Ei hineinschlagen, fertig ist der Teig. Es gibt auch einen Heizblock zum Bebrüten. Doch "Brüten" heißt es eigentlich nur bei Lebewesen, also bei Zellkulturen, die Zellen der Mundschleimhaut, die für die DNA-Analyse mit einer Art Ohrenstäbchen entnommen werden, sind tot. Und wenn sie es nicht wären, würden die Zell- und Kernmembran durch das Lösungsmittel auf jeden Fall zerstört. Es geht darum, die DNA kleinteilig zu isolieren, um schließlich per elektrischer Ausrichtung der unterschiedlichen Teilchen ein unverwechselbares Muster zu produzieren - eben den genetischen Fingerabdruck. Für den Laien besteht dieser Vorgang hauptsächlich im genauen Abmessen von Flüssigkeitsmengen. Auch das ist dank modernster Pipetten zu 500 Euro pro Stück quasi idiotensicher geworden. Die ruhige Hand ist einzig beim Einbringen des Endprodukts in die vorbereitete Gel-Tasche vonnöten. Und schließlich erscheint auf dem Bildschirm fein säuberlich die Reihe der "Fingerabdrücke".

Das kriminalistische Sujet ist für die Oberschüler, die diesen Vormittag Laborluft schnüffeln dürfen, nur mäßig attraktiv. Die junge Generation denkt schon weiter: Kann ich unbemerkt hinterlassene DNA-Spuren auch nutzen, um hinter die Eigenschaften eines künftigen Partners zu kommen - so ähnlich wie beim Sternzeichen-Anhänger? Und was bringt das Mitmachen bei der Gentechnik auf die Dauer ein? Die berufliche Perspektive ergibt sich schon aus der Lage des "Gläsernen Labors" mitten im Wissenschaftszentrum Berlin-Buch. Finanziell und organisatorisch ist das "Gläserne Labor" von der Industrie unabhängig. Und die Schüler bringen wenig Empörung über Klonfabriken oder Embryonenverbrauch mit. Sie beschäftigt mehr das Schicksal der Versuchstiere. Gibt es hier Ratten? Offenbar nicht. Aber sonst ist alles genau wie in einem echten biochemischen Labor, Sicherheitsstufe 1, versteht sich.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen