© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/02 29. November 2002

 
UMWELT
Schwimmende Zeitbomben
Volker Kempf

Der havarierte Tanker "Prestige" ist letzte Woche vor der Küste Spaniens auseinander gebrochen und gesunken. Das 26 Jahre alte Schiff hatte 70.000 Tonnen Schweröl geladen. Inzwischen treibt ein 280 Kilometer langer und 30 Kilometer breiter Ölteppich im Atlantik auf die Küste zu. 36.000 Tonnen Öl hat der auseinandergebrochene Tanker zudem mit in die Tiefe genommen. Zu allem Übel verfügt Spanien nur über ein Spezialschiff, das hier helfen kann. Dennoch zeigte sich das Land mit Hilfegesuchen zögerlich.

Oberflächlich besehen könnte man das ganze Desaster als Kolateralschaden abtun. Doch Umweltschutzorganisationen drängen schon lange darauf, Tanker, die älter als 20 Jahre sind und über keine Doppelwand verfügen, aus dem Verkehr zu ziehen. Zwar ist es international Konsens, dem bis 2015 nachzukommen. Doch das kann nicht genügen, wie Greenpeace immer wieder angemahnt hat. Denn es fahren noch immer 3.600 Seelenverkäufer auf den Weltmeeren herum. Tickende Zeitbomben sind das.

Würden die Mahnungen von Greenpeace erhört werden, bliebe noch immer ein Restrisiko. So fahren pro Jahr 800 Tanker zwischen der dänischen Insel Falser und der deutschen Insel Draß hindurch. Da kann immer etwas passieren. Also müssen Vorsorgemaßnahmen getroffen werden. So fehlt ein Hafen, in den gegebenenfalls havarierte Tanker geschleppt werden können. Es gibt für die Sicherheit auf See also noch viel zu tun. Ärgerlich ist vor allem, daß das ökonomische Kurzzeitdenken obsiegt und langfristig Schäden, die alles andere übertreffen, riskiert werden. Es ist schwer zu sagen, ob hier Dummheit oder organisierte Unverantwortlichkeit am Werk ist. Fest steht: Beides kennt keine Grenzen.


 
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