© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    48/02 22. November 2002

 
BLICK NACH OSTEN
Gehorsamere Partner
Carl Gustaf Ströhm

Sind dem US-Präsidenten Bush linke Regierungen lieber als konservativ-nationale? Die Frage stellt sich in bezug auf Ungarn, wo im Frühjahr die Mitte-Rechts-Koalition von Viktor Orbán durch eine knappe Mehrheit von Sozialisten (Postkommunisten) und Linksliberalen abgelöst wurde. Auch als kurz nach der Wahl der neue Ministerpräsident Péter Medgyessy als Ex-Offizier des früheren kommunistischen Geheimdienstes enttarnt wurde, war das Echo in und außerhalb des Landes gedämpft. Die Masse der Ungarn schien sich darüber nicht mehr aufzuregen, eine gewisse Müdigkeit liegt über dem Land.

Den Westen stört es offenbar nicht, daß ein Ex-"Stasi"-Offizier an der Spitze eines künftigen EU-Landes steht. Auf wütende Vorwürfe der Opposition reagierte Medgyessy, der sich nach 1990 als Banker in westlichen Finanzkreisen einen Namen machte, mit einer schwer zu widerlegenden Feststellung: Wenn nicht nur Bush, sondern auch Johannes Paul II. ihn mit allen Ehren empfange, sollte die einheimische Opposition doch nicht päpstlicher sein als der Papst.

Quasi als ein "Begrüßungsgeschenk" für den Budapester Premier erschien jüngst in Foreign Affairs ein Beitrag, in welchem nicht etwa dessen postkommunistische Linksregierung, sondern der längst entmachtete Ex-Premier Orbán heftig attackiert wurde. Die einflußreiche US-Zeitschrift erhielt dabei Sukkurs von der gleichfalls wichtigen Washington Post. Ungarn, so hieß es da, sei ein untaugliches und untätiges Nato-Mitglied und hätte längst aus dem Bündnis ausgeschlossen werden müssen. Nato-Generalsekretär Lord Robertson habe vom sozialistischen Verteidigungsminister Ferenc Juhász unverzüglich Schritte zur Modernisierung der Streitkräfte gefordert. Der 42jährige ehemalige kommunistische Jugendführer schob die Schuld auf Orbán und die frühere "rechte" Regierung, die der Nato immer nur leere Versprechungen gemacht hätten. Es sei "schockierend", so Juhász, daß sich an den Anti-Terror-Aktionen in Afghanistan nur zwei Nato-Mitglieder nicht beteiligt hätten: Island, das keine Armee habe - und Ungarn.

Es half den ehemals regierenden Fidesz-Politikern nicht, daß sie beteuerten, Ungarn habe seinerzeit bei den Nato-Luftangriffen gegen Jugoslawien hohes Lob von der Allianz erhalten und sei militärisch mit 350 Mann im Kosovo präsent. In Foreign Affairs attackierte Celeste Wallander vom "Center for Strategic and International Studies" die Orbán-Regierung auch noch wegen "Antisemitismus", "Nationalismus" und angeblicher Gebietsforderungen an die Nachbarstaaten. Als besonders belastend bezeichnete es die Autorin, daß sich Orbán als Ministerpräsident "angemaßt" habe, auch im Namen der ungarischen Minderheiten im Ausland (Rumänien, Slowakei, Serbien usw.) zu sprechen. Sogar der liberalen Neuen Zürcher Zeitung war das zu viel: "Orbán und seine Partei kooperierten nie mit der extremen rassistischen Rechten", schrieb die NZZ.

Doch warum schießen sich einflußreiche US-Medien auf eine abgewählte ungarische Regierung ein, die in ihren bürgerlich-konservativen Grundhaltungen eher der Ideologie der US-Republikaner entspricht als die jetzige Medgyessy-Regierung? Die Vermutung liegt nahe, daß hier eine Strategie im Spiel ist. Die Wendekommunisten sind den USA und der EU gehorsamere Partner als die "Nationalisten". Offenbar gibt es transatlantische Kreise, die eine Rückkehr des konservativ-nationalen, erst 41jährigen Orbán an die Macht verhindern wollen. "Cui bono?" ist da eine berechtigte Frage.


 
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