© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    48/02 22. November 2002


Die Zeche wird fällig
Deutschland hat sein Kapital unter Rot-Grün endgültig verspielt
Paul Rosen

Es ist soweit: Die Bundesrepublik wird zum Sanierungsfall. Das einst führende Industrieland, dessen Währung lange Jahre härter war als der amerikanische Dollar, hat sein Kapital verspielt. Die einzigen Indikatoren, die noch Wachstum zeigen, sind die für Staatsverschuldung sowie Steuer- und Abgabenquote. Noch nehmen die meisten Bürger die wirtschaftspolitische Unfähigkeit der rot-grünen Koalition mit Humor und setzten einen Kanzler-Schröder-Imitator auf Platz eins der Hitparade: "Ich erhöh' Euch die Steuern, Ihr könnt mich jetzt nicht mehr feuern, das ist ja das Geile an der Demokratie." Doch die Lage ist ernster als das Liedchen zum Ausdruck bringt.

Zu den Fakten: Die deutsche Wirtschaft wächst nach der Prognose des Sachverständigenrates in diesem Jahr noch um 0,2 Prozent. Das ist faktischer Stillstand. Die Wachstumsrate für das nächste Jahr soll nur noch ein Prozent betragen, was ein Drittel weniger ist als die ohnehin nicht mehr so optimistische Bundesregierung geschätzt hatte. Die amtliche Steuerschätzung geht davon aus, daß Bund, Ländern und Gemeinden in diesem und im nächsten Jahr zusammen 31,4 Milliarden Euro fehlen werden. Damit kommt die staatliche Investitionstätigkeit besonders auf der kommunalen Ebene weitgehend zum Erliegen. Die geschätzte Rekordhöhe von 40.000 Firmenpleiten dürfte übertroffen werden. Experten rechnen im Winter mit fünf Millionen Arbeitslosen. Die Zahl der Erwerbslosen dürfte im kommenden Jahr nicht unter vier Millionen fallen.

Die Berliner Koalition hat auf die verheerende Wirtschaftsdatenlage, die allen Experten lange vor der Wahl klar war, mit den falschen Rezepten reagiert. Statt das Wachstum zu beschleunigen, setzen SPD und Grüne auf Empfehlungen aus der sozialistischen Mottenkiste. Unmittelbar nach der Wahl begann die knapp wiedergewählte Koalition mit einer Orgie aus Steuer- und Abgabenerhöhungen. Ein verheerender Fall sind die Beitragsanhebungen in der Gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung. Dadurch werden die Abgaben gerade der Leistungsträger in den Firmen noch weiter erhöht. Da auch der Arbeitgeberanteil entsprechend steigt, werden viele Firmen um Entlassungen nicht mehr herumkommen, wenn sie ihre Lohnnebenkosten im Griff behalten wollen.

Dabei hatte die Koalition die Ökosteuer auf Energie eigens eingeführt, um die Rentenversicherungsbeiträge senken zu können. Ab Januar 2003 steigt der Beitragssatz von 19,1 auf 19,5 Prozent - trotz anderslautender Versprechen von seiten der Grünen. Durch die überproportionale Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze werden Besserverdienende doppelt belastet: Sie müssen von einem höheren Teil ihres Gehalts höhere Beiträge bezahlen. Zusammen mit anderen Steuer- und Abgabenbeschlüssen können Haushalte im Extremfall 250 bis 300 Euro netto im Monat verlieren. Das reduziert den Konsum und wird die Krise weiter verschärfen, weil die Nachfrage wegbricht.

Schröder und sein Finanzminister Hans Eichel (SPD) versuchen mit kurzfristigen, unüberlegten Maßnahmen ihre Haut zu retten. Nach neuerlichen Beratungen der Koalition stellten sie - sichtlich verzweifelt - in Berlin neue Steuern auf Aktiengewinne und Immobilienverkäufe vor. Diese Steuern werden sich als weitere Bremsen für die Finanzmärkte und die Baubranche erweisen. Immobilienbesteuerung und die Kürzung der Eigenheimzulage werden der deutschen Bauwirtschaft im nächsten Jahr eine Talfahrt ohnegleichen bescheren. 200.000 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel.

Mit Nachhaltigkeit hat die rot-grüne Politik nichts mehr zu tun. Die Schulden, die Eichel jetzt neu aufnimmt, wird die nächste Generation nicht mehr zurückzahlen können. Allein im laufenden und im nächsten Haushalt sollen 16,9 Milliarden Euro zusätzliche Schulden aufgenommen werden. Den europäischen Stabilitätspakt kann die Regierung schon lange nicht mehr einhalten. Der "Blaue Brief" aus Brüssel dürfte zur Dauereinrichtung werden, denn auch die Haushaltsvorgaben des nächsten Jahres gehen von falschen Annahmen aus. So will Eichel den Zuschuß für die Bundesanstalt für Arbeit um mehrere Milliarden absenken, obwohl mit einem Rückgang der Arbeitslosigkeit nicht zu rechnen ist - Eichel ist längst von einem Sparminister zum Schuldenminister geworden. Irgendwann wird einer seiner Nachfolger diese Schulden mit wertlos gewordenem Geld zurückzahlen. Denn am Ende einer staatlichen Schuldenspirale stand stets die Inflation.

Deutschland, einst die wirtschaftliche Lokomotive in Europa, hat inzwischen ein Stammabonnement auf den letzten Platz in allen Statistiken. Die rot-grünen Spar- und Steuererhöhungspläne haben die Bürger und Wirtschaft tief verunsichert. Daß die Sparquote steigt, ist der beste Beweis für diese Verunsicherung. Die Bürger legen mehr Geld auf die hohe Kante, um für schlechte Zeiten Reserven zu haben. Hinzu kommt die Angst um den eigenen Arbeitsplatz.

Die Industrie reagiert wie üblich: Arbeitsplätze werden gestrichen, ganze Produktionszweige werden stillgelegt. Der Bad Homburger Chemiekonzern Altana, ein im DAX notiertes und damit kein kleines Unternehmen, dürfte beispielhaft für viele Branchen sein. Altana kündigte an, in Deutschland keine neuen Investitionen mehr vorzunehmen, sondern nur noch im Ausland, wo Rahmen- und Produktionsbedingungen besser sind.

Jetzt zeigt sich auch, wie verhängnisvoll der Verzicht auf die eigene Währung war. Die Deutsche Mark wäre unter diesen Bedingungen auf den internationalen Märkten längst massiv eingebrochen. Importwaren hätten sich stark verteuert, die Nachfrage nach deutschen Produkten wäre gestiegen. Andererseits hätten sich deutsche Waren im Ausland verbilligt, was die Produktion im Inland erhöht hätte. Doch der Euro zeigt sich vom deutschen Dilemma weitgehend unbeeindruckt.

Der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) hat die deutsche Krise zu Recht als hausgemacht bezeichnet. Schröder und Eichel versprühen mit ihrer Steuer- und Abgabenerhöhungspolitik Gift in der Wirtschaft. Mit sauertöpfischem Gesicht blasen sie zur fiskalischen Jagdsaison. Dabei wäre die Wende mit wenigen Maßnahmen zu schaffen. Dazu gehören an erster Stelle Steuersenkungen und der Verzicht auf große Teile der alles Leben lähmenden Bürokratie. Schröder setzt statt dessen mit dem Hartz-Konzept auf Potemkinsche Dörfer. Arbeitslose sollen schneller vermittelt werden. Doch wohin?


 
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