© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/02 15. November 2002

 
Eine vergiftete Mondlandschaft droht
Naturschutz: Ein australisches Bergbauunternehmen will in Siebenbürgen Gold abbauen / Massive Umweltschäden
Alexander Barti

Im Siebenbürger Teil Rumäniens ist eine merkwürdige Art von Goldfie-ber ausgebrochen: Die in der Nähe der Lagerstätten wohnenden Menschen flüchten vor den heranrollenden Baggern, Bohrern und Sprengmeistern. Dabei wurde ihnen von der Kanadischen Firma "Gold Corporation" eine bessere Zukunft versprochen - wenn sie ihren Besitz, ihre Häuser, gegen eine ordentliche Entschädigung den neuen Herren überlassen.

Ein scheinbar faires Geschäft, denn in dem Siebenbürger Erzgebirge wurden seit Jahrtausenden Edelmetalle gefördert und die aktuellen wirtschaftlichen Aussichten in der Region zwischen Topesdorf (Cimpeni) und Groß-Schlatten (Abrud), südwestlich von Klausenburg (Cluj-Napoca) sind alles andere als rosig. Trotzdem formiert sich ein zaghafter bürgerlicher Widerstand, denn es ist eine ökologische Katastrophe zu befürchten: die Rosia Montana Gold Corporation AG (RMGC) mit Sitz in dem kleinen Dörfchen Goldbach (Rosia Montana/Verespatak) will nämlich das Metall mit einer inzwischen (Berliner Erklärung 2001) weltweit geächteten Methode gewinnen, bei der mit hochgiftigem Zyan das Gold aus dem Gestein herausgewaschen wird. Das so verseuchte Wasser soll in einem gigantischen Stausee "gelagert" werden. Wer sich noch an die Umweltkatastrophe vor zwei Jahren erinnert, als am 30. Januar 2000 aus einem ähnlichen Stausee der Firma Aurul kleine Mengen zyanhaltigen Schlammes in den Fluß Theiß gelangten und dort ein gigantisches Fisch- und Pflanzensterben auslösten, mag eine Vorstellung von dem haben, was sich nun in viel größerem Ausmaß anbahnt.

Etwas ominös scheinen die firmenrechtlichen Hintergründe zu sein: Die Gold Corporation hat ihren Hauptsitz im Kanadischen Toronto. Sie wurde gemeinsam von der staatlich-rumänischen Fördergesellschaft mit Sitz in Diemrich (Deva) und einer auf Barbados eingetragenen Firma mit Namen "Gabriel Ressources" gegründet.

Obwohl die Rumänen zunächst Zweidrittel von RMGC besaßen, schmolz dieser Anteil in wenigen Jahren auf 20 Prozent. Damit haben nun die Kanadier das Sagen, bzw. ihr Chef, der in Rumänien geborene Frank Timis, eine nicht minder bemerkenswerte Figur. Timis emigrierte 1981 nach Australien, wo er zweimal wegen Drogendelikten mit dem Gesetz in Konflikt kam. Vielleicht wanderte Timis deshalb weiter, diesmal nach Kanada, wo er bald ein reicher Geschäftsmann wurde und als Investor in seine ursprüngliche Heimat zurückkehrte.

Der Rumänische Staat verkaufte die Konzession zur Edelmetallförderung an die RMGC für drei Millionen Dollar. Dafür darf die Firma 25 Jahre lang auf einem Gebiet von 80 Quadratkilometern das Eisenerz abbauen. Experten rechnen mit einer Ausbeute von rund 300 Tonnen Gold und 1.400 Tonnen Silber. Somit zählt die Region zu der zweitgrößten Goldgrube der Welt, der mögliche Gewinn von RMGC wird auf 1,5 bis zwei Milliarden Dollar geschätzt.

Zudem hat die Regierung in Bukarest die Region zum Entwicklungsgebiet erklärt, so daß die Firma keine Steuern und keine Im- und Exportzölle zahlen muß. Ein phantastisches Geschäft, für das man gerne in Kauf nimmt, daß etwa 900 Häuser und vier Ortschaften nahezu platt gemacht werden. Dabei kann auch von einem Beschäftigungsprogramm für die vielen Arbeitlosen der Region nicht die Rede sein, denn von den anfänglich versprochenen 7.000 Arbeitsplätzen sind nach der letzten Machbarkeitsstudie nur noch 300 übriggeblieben.

Für den Beginn der Unternehmung bat die RMGC um einen 250 Millionen Dollar Kredit von der Weltbank, der ihr allerdings nicht genehmigt wurde. Die Gründe für den ablehnenden Bescheid sind nicht ganz klar: einerseits ist die Rede von einem Treffen mit rumänischen Umweltaktivisten, die die Banker von der Gefährlichkeit des geplanten Abbaus überzeugen konnten, andererseits erklärte Frank Timis in einem Interview der Regionalzeitung Unirea, man habe den Kredit gar nicht nötig. Ohne den bürokratischen Aufwand, der schlimmer sei als der im Kreml, könne mit dem Abbau viel schneller begonnen werden. So titelte denn auch die Unirea nach der Absage von der Weltbank, man habe "grünes Licht für die Pläne von Rosia Montana" gegeben.

Vor dem Hintergrund des Siebenbürger Goldfiebers sind auch alte Ressentiments zwischen Ungarn und Rumänien zum Vorschein gekommen, denn als der ungarische Umweltminister bei seinem Besuch in Bukarest seine Sorge über die Pläne von Rosia Montana zum Ausdruck brachte, mehrten sich die ungarnkritischen Artikel in der Unirea - die nicht nur deshalb für das bezahlte Sprachrohr der RMGC gehalten wird.

In der Region wird sogar darUS-amerikanische Milliardär ungarisch-jüdischer Herkunft, George (György) Soros, hinter den Protesten der Umweltschützer stehe, damit, so das Gerücht, nach dem Abzug der verhinderten Kanadier die Ungarn mit dem Abbau beginnen könnten. Ein absurder Vorwurf, denn Soros mag zwar alles mögliche sein, aber ein ungarischer Nationalist ist er ganz bestimmt nicht, im Gegenteil: Mit seiner auch in Budapest ansässigen "Open Society"-Stiftung und der von ihm finanzierten Central European University (CEU) betreibt er einen erheblichen finanziellen Aufwand, um das Denken in nationalen oder völkischen Kategorien zu bekämpfen. Außerdem soll sogar der Bürgermeister von Klausenburg, der für seine nationalistischen Ausbrüche berüchtigte Gheorge Funar von der rechten Partei România Mare, nach einem Besuch in der Region erklärt haben, daß er sich gegen die Pläne von RMGC einsetzen werde.

Eine Aktivistin gegen den geplanten Abbau, Roxana Manta, lebt in Rosia Montana und hat auf die Wand ihres Hauses in weithin sichtbaren Lettern geschrieben, daß ihre Geburtsstätte nicht zu verkaufen sei. Dabei ist Manta, die vor ihrer Pensionierung Geschichte unterrichtete und auch die Monographie der Ortschaft verfaßte, nicht grundsätzlich gegen den Bergbau, denn dieser sei seit Jahrtausenden Bestandteil der Region, wie sie erklärt.

Was sie vielmehr störe, das seien die offensichtlich korrupten Machenschaften, mit denen die Menschen betrogen werden - trotz der beachtlichen Abfindungen, die sie für ihre Heimat bekämen. Unterstützt in ihrem scheinbar aussichtslosen Kampf wird sie von einer Schweizerin, Stephanie Roth, die sich ebenfalls zum Ziel gemacht hat, die ökologische und menschliche Tragödie zu verhindern.

Angesichts der nicht nur für rumänische Verhältnisse gigantischen Gewinne, die involvierte Kreise durch die RMGC einnehmen werden, und durch das Desinteresse der "internationalen Öffentlichkeit", wird der Widerstand weniger Umweltschützer nicht verhindern können, daß aus einer Jahrtausende alten Kulturregion Europas eine vergiftete Mondlandschaft wird - mit erheblichen Gefahren auch für die umliegenden Ortschaften und Menschen.


 
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