© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/02 15. November 2002

 
Klarer Sieg an der Heimatfront
USA: Die Republikaner von Präsident Bush gewannen die Zwischenwahlen / Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses
Ronald Gläser

Die nackten Zahlen der neuen Sitzverteilung in der amerikanischen Legislative verraten wenig über den außergewöhnlichen Erfolg der Republikaner. Fünf neue Repräsentanten und eine Senatsmehrheit, die nur hauchdünn ist, sehen nicht wie ein Erdrutschsieg aus. Doch diese parlamentarische Mehrheit der Präsidentenfraktion ist ein formidables Ergebnis für die Bush-Regierung.

Das Wahlergebnis ist gerade deswegen so spektakulär, weil George W. Bush sich so sehr engagiert hat. Vor zwei Jahren war er mit einer Million Stimmen weniger als sein Gegenkandidat Al Gore gewählt zum Präsidenten worden. Seitdem haben über 1,5 Millionen US-Amerikaner ihren Arbeitsplatz verloren. Seitdem hat die Baisse an der New Yorker Wall Street die Altervorsorge von Millionen Bürgern vernichtet. Seitdem erschüttern Bilanzfälschungsskandale und Rezessionsängste die wirtschaftliche Gesamtsituation.

Die Wahlen zwischen zwei Präsidentenwahlen, die midterm elections, sind meistens "Denkzettelwahlen." Fast immer geht die jeweilige Opposition gestärkt daraus hervor. So war es 1982, als Ronald Reagan 26 Sitze im Repräsentantenhaus verlor. Und so war es 1994, als die Republikaner unter Newt Gingrich mit einem Paukenschlag beide Kongreß-Kammern zurückeroberten. Bill Clinton stand nach zwei Jahren Amtszeit vor einem Desaster.

Vor diesem Hintergrund war ein Triumph der Demokraten zu erwarten. Die Meinungsforscher prognostizierten auch eine höhere Akzeptanz der demokratischen Kandidaten. Trotzdem mißlang den Demokraten auch nach acht Jahren in der Opposition ein Durchbruch. Erstmals seit Präsident Franklin Delano Roosevelt gelang der Partei eines amtierenden Präsidenten ein deutlicher Zuwachs an Mandaten bei Zwischenwahlen. Im Falle der Republikaner ist es sogar das erst Mal seit 1928, das eine republikanische Mehrheitsfraktion (Repräsentantenhaus) noch zulegen kann.

Die Gründe für das starke Abschneiden der Republikaner liegen auf der Hand. Bush hat aus Sicht der US-Wähler Führungsstärke bewiesen, während die Demokraten unsicher und konzeptlos wirken. Der Kontrast zwischen Regierung und Opposition ist noch stärker als bei der jüngsten Bundestagswahl in Deutschland. Selbst wenn der Irakkrieg nicht das bestimmende Thema der Wahl war, so hat Bush doch zumindest bewiesen, daß er zielsicher seine Ideen in die Tat umzusetzen bereit ist. Die Wähler stützen einen willensstarken Mann an der Spitze sogar dann, wenn sie dessen Überzeugungen nicht hundertprozentig teilen. Dagegen sind die meisten führenden Demokraten kaum der Ansicht, daß der Irak eine reale Bedrohung für die USA darstellt. Trotzdem folgten sie George W. Bush und erteilten ihm im Kongreß die Erlaubnis, dem Irak den Krieg zu erklären. Nicht nur Dick Gebhardt, Tom Daschle und Joseph Liebermann votierten für diese neue Golf-von-Tonkin-Resolution. Selbst New Yorks Senatorin Hillary Clinton ermächtigte den Präsidenten zum Erstschlag.

Zu den prominentesten Opfern auf der Verlustliste der Demokratischen Partei gehört Walter Mondale. Der Vizepräsident Jimmy Carters und glücklose Präsidentschaftskandidat von 1984 verpaßte in Minnesota den Einzug in den Senat. Kathleen Townsend, die Tochter Robert F. Kennedys, scheiterte mit ihrer Kandidatur als Gouverneurin von Maryland. Erstmals seit 30 Jahren setzte sich hier ein Republikaner durch. Besondere Aufmerksamkeit galt auch dem Bruder des US-Präsidenten. Jeb Bush schaffte in Florida spielend eine zweite Amtszeit als Regierungschef des Bundesstaates. Dies gelang ihm trotz der Unregelmäßigkeiten bei der letzten Präsidentschaftswahl. Besonders spektakulär aber ist der Sieg der Republikaner in Georgia. Das Herzstück der amerikanischen Südstaaten wurde seit 130 Jahren von demokratischen Gouverneuren regiert. Doch die Republikaner setzten ihre Eroberungsstrategie im Süden fort und siegten sowohl bei der Gouverneurs- als auch bei der Senatorenwahl.

Den Durchbruch im Heimatstaat Jimmy Carters haben die Republikaner Ralph Reed zu verdanken. Reed gilt als prononcierter Vertreter der amerikanischen Rechten. Acht Jahre lang war er der Frontmann "Christlichen Koalition". Als Vorsitzender der Republikaner hat er diesen einen Sieg beschert und seine eigenen Chancen auf ein zukünftiges politisches Amt gesteigert.

Auch die mitgliederstärkste Organisation des Landes nimmt für sich in Anspruch, für das Wahlergebnis mitverantwortlich zu sein. Die National Rifle Association (NRA) vertritt die Interessen der Waffenbesitzer und hatte zur Wahl von 246 Abgeordneten aufgerufen, von denen am Wahlabend 230 als strahlende Sieger dastanden. Im Senat setzten sich 21 der 24 NRA-Favoriten durch. Einer offiziellen NRA-Stellungnahme zufolge hat das "amerikanische Volk bewiesen, das es für seine Freiheit (sprich: von Waffenverboten) zu kämpfen bereit sei."

Tröstlich für die Demokraten ist nur, daß es ihnen gelang, in drei Großstaaten republikanische Amtsinhaber zu verdrängen. Pennsylvania, Michigan und Illinois wählten demokratische Gouverneure. Auch in Winsconsin, Kansas und Oklahoma wurden die republikanischen Amtsinhaber durch die Wähler ausgewechselt. Trotz allem halten sich Demokraten und Republikaner in den Einzelstaatsregierungen die Waage.

Das Wahlergebnis hatte personelle Konsequenzen bei den Demokraten im Kongreß. Angehörige der schwarzen Bürgerrechtsbewegung kritisierten, daß man beim Versuch, schwarze Wähler zu gewinnen, ausschließlich auf Clinton gesetzt habe. Dessen Wahlaufruf hatte einen drastischen Rückgang der Wahlbeteiligung der schwarzen Bevölkerung nicht verhindern können. Die anbiedernde Haltung gegenüber US-Präsident Bush kritisierten andere Demokraten. So argumentierte Al Gore, wobei es dem Beinahe-Präsidenten aber eher darum ging, seinen innerparteilichen Gegenspieler Tom Daschle zu demontieren.

Die Wahlchancen Daschles, des kurzzeitigen Führers der Senatsmehrheit, schmelzen für das Präsidentschaftswahljahr 2004 dahin. Auch der Minderheitenführer im Repräsentantenhaus, Dick Gebhardt zog die Konsequenzen aus der Niederlage und trat zurück. Ihm folgt eine ausgemachte Linke, Nancy Pelosi aus San Francisco. Der 62jährigen steht mit Harold Ford nur ein Mitbewerber gegenüber, der sich selbst als "krassen Außenseiter" ansieht. Pelosi gehört zu den wenigen Abgeordneten, die gegen die Irak-Resolution gestimmt haben.

Neben der Wahl der Repräsentanten und Senatoren diente der Urnengang auch der Abstimmung über unzählige Referenda in den Einzelstaaten. So wurden in Nevada die Versuche, die "Homo-Ehe" einzuführen und Marihuana zu legalisieren, vom Wähler abgeschmettert. In Massachusetts stimmte eine breite Mehrheit für ein Gesetz, das Englisch zur einzigen Unterrichtssprache erhebt. Nur in Ausnahmefällen darf nun noch eine andere Sprache im Klassenraum gesprochen werden. In Colorado, das weit mehr Einwanderer aus Lateinamerika zu verkraften hat, scheiterte ein solcher Gesetzesvorschlag knapp.

Die Bildungspolitik stand auch in Kaliforniens Volksentscheiden auf der Tagesordnung. Ein Gesetzesentwurf, der Ganztagsschulen fördern sollte, wurde medienwirksam von Arnold Schwarzen-egger unterstützt. Dieser neuerliche Schritt des gebürtigen Österreichers lädt zu Spekulationen über eine zweite Karriere des "Terminators" ein. Schwarzenegger ist seit Jahren bekennender Republikaner. Doch sein Heimatstaat Kalifornien bildet mit New York die letzte echte Hochburg der Demokraten. Die Republikaner liegen im einwohnerstärksten Bundesstaat wie in der ersten Hälfte der sechziger Jahre am Boden.

Damals wechselte der Schauspieler Ronald Reagan in die aktive Politik und eroberte Kalifornien für die Republikaner zurück. Da Schwarzenegger immer öfter das politische Rampenlicht zu suchen scheint, blühen Spekulationen über eine Kandidatur des Publikumslieblings. Da der Mittfünfziger seit Jahrzehnten in den USA lebt, könnte er sogar Regierungsämter übernehmen.

Und kein konservativer Weißer hätte bessere Chancen als Schwarzenegger. Er ist "Einwanderer" und verkörpert den amerikanischen Traum. Vielleicht könnte er Wähler aus den Reihen der zahlreichen Zugewanderten an sich binden, die sonst keinem anderen Republikaner jemals ihre Stimme zu geben bereit wären. Doch als erst 1983 eingebürgertem US-Bürger bleibt dem in Graz geborenen Steirer das Weiße Haus versperrt.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen