© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/02 15. November 2002

 
"Wir bräuchten einen Milliardenetat"
CIVITAS-Tagung: Mit 45,5 Millionen Euro im Jahr fördert die rot-grüne Bundesregierung Projekte "gegen Rechts"
Manuel Ochsenreiter

Wir haben keine Verbündeten", konstatierte Reinhard Höppner, Ex-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt mit ernster Miene in die Runde. Die beiden anderen Herren nicken. Sie plauderten über die "Zivilgesellschaft", über "Rechtsextremismus" und über "Vorurteile". Titel der öffentlichen Podiumsdiskussion in der Evangelischen Akademie Wittenberg, dem die Mitteldeutsche Zeitung das Attribut "provokant" verpaßte, war "Aufstand der Anständigen - Ein Saisongeschäft?".

Neben Höppner nahmen an der Podiumsdiskussion noch Peter Fritzsche, Professor an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, sowie Sven Olaf Obst vom Bundesjugendministerium teil. Das aus der zweitenReihe besetzte Podium war sich einig: Die Aufmerksamkeit gegen "Rechts" sei weitgehend "weg" und schuld daran sei mitunter - so Fritzsche - der 11. September. Durch dieses Datum sei der Rechtsextremismus aus dem Bedrohungsszenario der Bundesbürger verdrängt worden. Mullahs empfinden die Deutschen bedrohlicher als Skinheads.

Fritzsche, dessen Forschungsschwerpunkte Menschenrechtserziehung, Vorurteile, soziale Streßtheorie sowie die Transformation politischer Kulturen sind, beklagte sich darüber hinaus über das Desinteresse der Studenten an seinen Rechtsextremismus-Seminaren. Fritsche wagte während der Diskussion die groteske These, man würde sofort in die linke Ecke gestellt werden, wenn man sich gegen Nazis äußere.

Völlig ratlos war auch Sven Olaf Obst, der die Meinung vertrat, es sei trotz erheblicher finanzschwerer Aktionsprogramme binnen "50 Jahren nicht gelungen", eine Rechtsextremismus-resistente Gesellschaft zu formen. Völlig allein gelassen fühlte sich Höppner, der darüber klagte, der Kampf für eine "Zivilgesellschaft" sei ein "Verlierer-Thema". Schuld daran sei die "miserable öffentliche Kommunikation", kritisierte die Rolle der Medien in diesem Zusammenhang.

Außer in der Mitteldeutschen Zeitung fand das larmoyante Trio keine öffentliche Aufmerksamkeit. Als Veranstalter wurde dort die Evangelische Akademie genannt, dies war aber lediglich der Tagungsort. Dahinter steht die millionenschwere CIVITAS, eine Organisation der Bundesregierung, welche sich die Bekämpfung von Rechtsextremismus sowie die "Stärkung und Entwicklung zivilgesellschaftlicher, demokratischer Strukturen im Gemeinwesen" auf die Fahnen geschrieben hat.

Die ausschließlich in Mitteldeutschland tätige Organisation verfügt im Jahr 2002 über 45,5 Millionen Euro. "Mit diesem Aktionsprogramm will die Bundesregierung demokratisches Verhalten und ziviles Engagement bei Jugendlichen stärken und Toleranz und Weltoffenheit fördern", heißt es in der Selbstdarstellung. In diesem Sinne wurden seit März 2001 über 600 Projekte in den neuen Bundesländern finanziell gefördert und betreut.

Das Bundesministerium ist Letztentscheider

Die aus Steuergeldern finanzierten Projekte haben Namen wie "Projekt gegen rechte Dominanz mit der Gesamtschule Gerswalde", "Wie ausländerfeindlich sind unsere Stadtbilder?", "Faschismus-Revue" oder einfach nur "Hallo Nazi".

Bei den Antragstellern für Fördermittel begegnet man alten Bekannten, wie zum Beispiel NDR-Frau Lea Rosh, die als Kämpferin und Spendensammlerin für den Bau des Holocaustmahnmals in Berlin bundesweit bekannt wurde. Mit ihrer "Lea Rosh Kommunikation & Medien GmbH" wurde ihr von CIVITAS das Projekt "Politisches Café 2002 - Initiative gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Rassismus" genehmigt. Und auch Bernhard Vogels Thüringer Staatskanzlei bekam als Antragsteller das Projekt "Rechtsextreme Gewalt in den Medien: vor dem Hintergrund der EU-Erweiterung" bewilligt.

Bis September diesen Jahres wurden insgesamt 60 Prozent aller beantragten Projekte genehmigt und 23 Prozent als "nicht förderungswürdig" abgelehnt. Der Rest ist noch in der Schwebe.

Von der bis dahin bewilligten Gesamtsumme von 8.328.018 Euro wanderten 37 Prozent in die "mobilen Beratungsteams", 24 Prozent in die "Stärkung einer demokratischen, gemeinschaftsorientierten Gesamtkultur", 17 Prozent in den "Austausch von Erfahrungen", 10 Prozent in "überregionale Modellprojekte" und 12 Prozent in sogenannte "Netzwerkstellen".

Über die Förderungswürdigkeit der Projekte entscheidet ein sogenannter Programmbeirat, der zur Zeit aus 13 Mitgliedern besteht, wobei sich das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend den "Letztentscheid" vorbehält. Sven Olaf Obst sitzt für das Ministerium im Programmbeirat, für die Amadeu-Antonio-Stiftung sitzen Anetta Kahane und Christian Petry. Anetta Kahane ist keine Unbekannte. Sie konnte wegen ihrer Stasi-Verstrickung nicht die Nachfolge von Barbara John als Ausländerbeauftragte von Berlin antreten. CIVITAS wird laut eigenen Angaben von der Amadeu-Antonio-Stiftung und der Stiftung Demokratische Jugend umgesetzt. "Die Amadeu-Antonio-Stiftung kümmert sich um die Antragsberatung, die Begleitung und Betreuung der Projektträger, die 'best-practice-Publizierung' und Dokumentation des Programms, die Betreuung des Programmbeirats sowie die Kooperation mit der wissenschaftlichen Begleitung des Programms."

Die Amadeu-Antonio-Stiftung fördert wiederum das "Zentrum Demokratische Kultur", das von Bernd Wagner gleitet wird. Wagner war bereits zu DDR-Zeiten als Oberstleutnant der Volkspolizei mit der Beobachtung des offiziell gar nicht vorhandenen Rechtsextremismus betraut. In dieser Funktion plädierte er bei den zuständigen DDR-Staatsorganen für eine verstärkte Wachsamkeit und die Bekämpfung des aufkeimenden Rechtsradikalismus. Auch nach der Wende fanden seine Warnungen - vorerst - kein Gehör. Dies hat sich, nicht zuletzt aufgrund der staatlichen Alimentierung von Wagners Arbeit geändert. Daß die Zusammenarbeit mit der Amadeu-Antonio-Stiftung so reibungslos klappt, wird nicht zuletzt daran liegen, daß sowohl die Stiftung als auch das Zentrum Demokratische Kultur unter der gleichen Adresse in Berlin firmieren.

"Zerschlage das faschistische Insekt"

Schirmherr der Amadeu-Antonio-Stiftung ist wiederum Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, für den die ausländerfeindlichen Gewalttaten nur "Spitzen von Eisbergen" darstellen. Thierse, welcher sein "zivilgesellschaftliches" Engagement gar nicht oft genug zum Gegenstand seiner Politik machen kann, beschirmt auf diese Weise auch Veranstaltungen mit dem klingenden, nicht mehr ganz so zivil anmutenden Namen "Beat the Fascist Insect" (Zerschlage das faschistische Insekt).

Wer angesichts eines solchen Netzwerkes über "fehlende Verbündete" klagt, stapelt entweder tief oder möchte bewußt irreführen. Und wozu? Vielleicht, um noch mehr Steuergelder zur freien Verfügung zu bekommen.

Bereits im Februar 2001 sagte Anetta Kahane in einem Interview mit Spiegel-Online mehr als deutlich, wohin die Marschrichtung der nächsten Jahre gehen wird: "Um ein grundsätzliches Demokratieproblem zu lösen, reichen die bisherigen Mittel sicher nicht aus. Wir bräuchten einen Milliardenetat."

 

Wolfgang Thierse, Ben Becker, Udo Lindenberg auf einer Pressekonferenz "Rock gegen rechte Gewalt": "Hallo Nazi"


 
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