© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/02 15. November 2002


Rudolf Augstein
Die Hypotheken des Herausgebers
Dieter Stein

Rudolf Augstein erhält ein Staatsbegräbnis erster Klasse. Auch die Autoren, die in dieser Ausgabe der JF über den verstorbenen Herausgeber des Nachrichtenmagazins Der Spiegel schreiben, zollen ihm überwiegend Respekt.

Doch bei allem Respekt vor der herausragenden Natur dieses Journalisten muß auch auf seine verheerende politische Rolle hingewiesen werden, die er in Deutschland gespielt hat. Augstein hat mit dem Spiegel einerseits eine Bresche für kritischen, selbstbewußten Journalismus im Westen des geteilten Deutschlands geschlagen. Andererseits stand der Spiegel jedoch für einen publizistisch-politischen Monopolanspruch, der die Meinungsfreiheit schließlich gefährdete.

Augstein, der selbst im Rahmen der "Spiegel-Affäre" zu Unrecht ins Gefängnis kam, verweigerte nichtlinken Journalen und Journalisten die Solidarität, wenn diese angegriffen wurden oder ihre Druckereien brannten. Augsteins Spiegel war das gewichtigste Glied in einer linksradikalen Denunziationskette gegen konservative Historiker, Journalisten und Politiker.

Ungezählt sind die Opfer des Spiegel, auf die durch einen Spiegel-Artikel die Jagd eröffnet wurde. Stellvertretend sei nur der Historiker Hellmut Diwald genannt, dessen großes Werk, die "Propyläen Geschichte der Deutschen" 1978 von Spiegel-Redakteur Georg Wolff quasi als rechtsextreme Propaganda verrissen wurde. Startschuß für ein beispielloses Kesseltreiben gegen Diwald. Sein Ruf wurde nie wieder hergestellt. Pikante Fußnote: Wolff war ehemaliger SS-Offizier, SD-Leitabschnittsführer Oslo unter Heinrich Himmler gewesen. Während des Historikerstreits mitte der Achtziger Jahre schmähte Augstein schließlich höchstpersönlich den renommierten Historiker Andreas Hillgruber einen "konstitutionellen Nazi".

Der Spiegel kultivierte und etablierte in Deutschland in dieser Form die Kunst infamer Denunziation und aggressiver Verächtlichmachung des politischen Gegners. Die JUNGE FREIHEIT hat dies am eigenen Leib zu spüren bekommen. 1995 demonstrierten JF-Redakteure vor dem Hamburger Spiegel-Haus, besetzten schließlich den Eingang und erzwangen ein Gespräch mit den verantwortlichen Redakteuren eines Artikels, der - auf linksextreme Dossiers gestützt - der JF Antisemitismus vorwarf. Erst durch eine Klage vor dem Presserat hatte die JF Erfolg, der Spiegel wurde gerügt!

Der junge Augstein hat zweifellos, als "Jens Daniel" verkleidet, gegen eine bedingungslose Westintegration und für einen notfalls neutralen gesamtdeutschen Weg gestritten. In den siebziger und achtziger Jahren verstummten die gesamtdeutschen Töne des Spiegel jedoch. Der Spiegel wurde geradezu zu einem publizistischen Hauptquartier der Wiedervereinigungsgegner, konnte Verteidiger der Einheit nicht genug verhöhnen. Erst als die Einheit Ende 1989 nahte, stoppte Augstein den Kurs seines Blattes. Das ist sein spätes Verdienst, als einflußreichster linker Publizist sein gesamtes Gewicht in die Waagschale für die Wiedervereinigung geworfen zu haben.


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