© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/02 08. November 2002

 
UMWELT
Volkssport muß sein
Volker Kempf

Wochenende und Sonnenschein, das ist die Gelegen-heit für einen kleinen Ausflug. Mit Kinderwagen im Zug, das soll umständlich sein, sagen Autofahrer. Also rein in den Leihwagen mit Kind und Kegel.

Nach zehn Minuten auf der Autobahn endete die Fahrt erst einmal im Stau. Wo die wohl alle hin wollen? Zur Arbeit jedenfalls nicht. Zeit genug, um sich die Autoinsassen rings herum genau anschauen - und Konrad Lorenz' Diagnose von der "Verhausschweinung" des zivilisierten Menschen bestätigt zu finden. Aufgedunsene Gesichter und Körper in jedem zweiten Wagen. Man hat den Eindruck, die Leute sind körperlich degeneriert, so daß man sich nicht wundern muß, wenn hierzulande vitale Ausländer die körperlich anstrengende Arbeit verrichten sollen. Aber wer selbst schon seinen dritten Hexenschuß hinter sich hat, sollte nicht hochmütig mit seinem Finger auf andere zeigen. Irgendwann kommt man von der Besichtigung der Stauteilnehmer dann doch am Ziel an, auch wenn es schon bald wieder dunkel wird. Das Landesgartenschauzelt mit der warmen Suppe ist unbeheizt und ungemütlich. Also schnell ein paar Besichtigungsrunden drehen, in einem Kloster einen Kaffee trinken und wieder ab nach Hause.

Am Schönsten ist es doch, mit der Eisenbahn zu verreisen. Der Kinderwagen ist schnell verstaut, die Leute sind kommunikativ und der Speisewagen ist beheizt. Und wenn sich eine Verspätung einstellt, kann man noch immer im Zug herumlaufen und etwas gegen die eigene "Verhausschweinung" tun. Vor allem das Be- und Entladen sowie das Verstauen von Gepäck auf der Hutablage kommt einem Volkssport gleich. Damit ist die Bahn nicht nur ein relativ umweltfreundliches, sondern auch ein gesundes Verkehrsmittel.


 
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