© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/02 01. November 2002


Blick in die Medien
Renaissance
Ronald Gläser

Zur Zeit gelangen vorwiegend Schreckensbilder aus Rußland zu uns. Das Geiseldrama in einem Moskauer Theater ist eine makabre, russische Variante des 11. September. Terroristen zelebrieren ihr Verbrechen. Zuallererst fotografierten sie ihren Anführer auf der Bühne mit einer Digitalkamera und stellten das Bild ins Internet. Die aufgeregten Reporter berichten über die Lage der Geiseln, die ebenfalls dank des Handys mit der Außenwelt in Kontakt stehen. Immer wieder sagt ein Reporter, die Lage sei angespannt, weil es nichts zu essen gäbe. Da fragt man sich, ob die Menschen inmitten von Minen und bewaffneten Tschetschenen wirklich an die nächste Mahlzeit denken. Es gibt aber auch positive Meldungen aus dem ehemaligen Zarenreich. So wurde vergangene Woche Ludmilla Putina in Kassel mit dem Jacob-Grimm-Preis ausgezeichnet. Wir verdanken ihr nämlich, daß die deutsche Sprache eine Renaissance erlebt. Die Frau des russischen Präsidenten ist ganz anders als ihre Vorgängerinnen. Die besseren Hälften der Chruschtschows und Breschnews waren nicht besonders engagiert. Ludmilla Putina dagegen setzt sich gemeinsam mit Doris Schröder-Köpf hingebungsvoll für die "Sprache Goethes und Schillers" ein. Das Ergebnis: In Rußland lernen derzeit vier Millionen Kinder Deutsch, mehr als im ganzen restlichen Europa. In England und Frankreich zum Beispiel wählen gerade ein bis zwei Prozent der Schüler Deutsch als Fremdsprache. Der Verein Deutsche Sprache hat die Präsidentengattin daher zu Recht mit dem mit 35.000 Euro dotierten Preis ausgezeichnet.


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