© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/02 01. November 2002

 
CD: Klassik
Lautmalerisch
Lautmalerisch

Über sechshundert Lieder und Balladen hat Carl Loewe, der 1796 in Löbejün bei Halle geboren wurde, komponiert. Darunter sind so bekannte Balladen wie "Herr Heinrich sitzt am Vogelherd", "Prinz Eugen, der edle Ritter" und, eine der packendsten, "Ich hab es getragen sieben Jahr".

Loewe, Schüler der berühmten Franckschen Stiftung in Halle, lebte und arbeitete von 1820 bis 1866 als Organist in Stettin und starb 1869 nach einem Schlaganfall in Kiel. In den Stettiner Jahren entstanden zahlreiche Kompositionen, die heute alle vergessen sind: Opern, Oratorien und Instrumentalmusik. Bis in unsere Zeit haben sich nur seine Balladen und Lieder erhalten, auch wenn Brahms ihm im Vergleich zu Schuberts Liedern "oft nur ganz talentvolle Mache" attestierte.

Loewes Balladen, meist in mehrstrophiger Form, sind nach Gedichten von Goethe, Freiligrath, Fontane, Uhland und anderen deutschen Dichtern komponiert. Er selbst nannte seine Lieder und Balladen zum Teil "Gebrauchsmusik für singende höhere Töchter". Aber die gibt es heute nicht mehr, und wenn die Töchter singen, dann sind es keine Balladen. Nicht einmal an unseren Schulen kommen Loewe-Balladen vor.

Um so erfreulicher ist es, daß die CD-Firma cpo in Georgsma-rienhütte sich Carl Loewes angenommen hat und auf vierzehn CDs seine Lieder und Balladen herausgegeben hat. Über zwei Aufnahmen, die der große deutsche Bassist Kurt Moll interpretiert, soll hier berichtet werden. Kammersänger Kurt Moll begann seine künstlerische Laufbahn als Cellist und Sänger. Schnell stieg er mit Partien wie Sarastro (Zauberflöte), Osmin (Entführung aus dem Serail), Gurnemanz (Parsifal), König Marke (Tristan und Isolde) und als Ochs von Lerchenau (Rosenkavalier) in die Reihe der ersten Bassisten auf. Auf zahlreichen Einspielungen hauptsächlich deutscher Opern und Oratorien kann man seine makellose, warme und modulationsreiche Stimme hören. Lieder und Balladen singt er mit perfekter Wortverständlichkeit und großer Gestaltungskraft. In einem Interview erklärte er einmal, daß er zwischen Opernaufführungen den passenden intimen Kammerstil suche, der bei Liederabenden so wichtig sei.

Überzeugend gestaltet Moll den "Herrn Heinrich am Vogelherd": Die Freude an der morgendlichen Natur, den Unwillen über die Störung und schließlich den demütigen Dank an das Schicksal. Bewegend singt Moll das Lied "Das Vaterland": Bei "Vaterland es ist dein Name doch kein leeres Wort" endet der Sänger in einem langen tiefen Pianissimo. Lautmalerisch gestaltet er die nordische Sage vom "Nöck", einer besonders schönen Ballade aus Loewes späten Jahren. Aus dem "Liederkranz für eine Baßstimme" bringt er eine Schilderung der Tiere im Wald, die von dem "Feind", einem Menschen, gestört werden. Nach dem jubelnden "Prinz Eugen, der edle Ritter" läßt er mit feinem Humor in der Stimme den Trompeter sich leise zur Marketenderin schleichen.

Höhepunkt dieser CD (cpo 999 306-2) ist zweifellos Theodor Fontanes "Archibald Douglas". Hier gelingt dem Sänger in packender Weise die Auseinandersetzung zwischen Graf Douglas, dem heimwehkranken Verbannten und dem zürnenden schottischen König Jakob V.

In der zweiten, von Moll besungenen CD (cpo 999 414-2) steht Scherzhaftes wie "Mädchen sind wie der Wind" romantischen Liedern gegenüber. Die Goethe-Balladen "Der Schatzgräber", "Der getreue Eckart" oder "Die wandelnde Glocke" singt Moll mit stilsicherem Gefühl. Und schneidig klingt der preußische Präsentiermarsch "Fridericus Rex". In Cord Garben hat Kurt Moll einen idealen Begleiter und kongenialen Partner gefunden. Schon vor hundert Jahren wurde über Carl Loewe gesagt: "Lernt ihn kennen, so lernt ihr ihn lieben" - was bis heute gilt.


 
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