© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/02 01. November 2002


Von Dilettanten regiert
Rot-Grün wird die wirtschaftliche Talfahrt Deutschlands beschleunigen
Bernd-Thomas Ramb

Die permanente Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation in den letzten Jahren hat nicht ausgereicht, einer neuen Regierungsmehrheit in Deutschland zur Macht zu verhelfen. Im Gegenteil, die wiedergewählte rot-grüne Regierung darf nicht nur ohne Folgen eine verheerende Bilanz ihrer abgelaufenen Regierungszeit vorweisen, sondern mit ihrer jüngsten Koalitionsvereinbarung auch noch die wirtschaftliche Talfahrt beschleunigen. Das Urteil der Wirtschaftswissenschaftler hinsichtlich der aktuellen Haushaltssanierungspläne ist vernichtend. Die Forschungsinstitute reduzieren ihre Wachstumsprognose für das kommende Jahr um einen Prozentpunkt auf nunmehr bloß 1,4 Prozent, und der ehemalige Wirtschaftsweise Peffekoven hält auch noch diese Zahl für überzogen optimistisch. Die neue Regierung läßt dies unbekümmert. Der Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) erteilt sogar den Wissenschaftlern eine Rüge wegen ihrer negativen Prognosen. Frei nach dem Motto, wissenschaftlicher Sachverstand hat sich den Fantasien der Regierung zu unterwerfen.

Neben der wirtschaftswissenschaftlichen Unprofessionalität der Regierungspolitik erschreckt die hektische Konfusion der Vorschläge. In wenigen Klausursitzungen schnell zusammengezimmert, werden fundamentale Einschnitte in die bestehende Finanzordnung beschlossen, die häufig schon am nächsten Tag das Papier nicht mehr wert sind, auf dem sie vervielfältigt wurden. Ein treffendes Beispiel ist die Rücknahme des Vorhabens, die Steuerabzugsfähigkeit von Unternehmensspenden abzuschaffen. Der Aufschrei der Kunstwelt, die mit Mäzenatentum erfolgreicher zu überleben vermag als mit Staatszuschüssen, war absehbar. In der Koalitionsrunde herrscht offensichtlich eine so blinde Feindschaft gegenüber den angeblichen Steuervorteilen der Unternehmen, daß schlichte Tatsachen nicht mehr wahrgenommen werden. Selbst wenn eine steuerlich absetzbare Spende zu einer Steuerersparnis von 50 Prozent führt, die anderen 50 Prozent schmälern immer noch den Gewinn des Unternehmens, bedürften also einer freiwilligen Überwindung. Der Entschluß, ohne Steuervorteil überhaupt nichts mehr zu spenden, wird sicher häufiger getroffen als die Entscheidung, dann nur noch die Hälfte der alten Beträge zu geben. Das volkswirtschaftliche Spendenaufkommen wird so, selbst wenn die Regierung ihre Steuermehreinnahmen den zuvor bedachten Spendenempfängern vollständig zukommen läßt, unterm Strich geringer ausfallen als zuvor.

Wirtschaftspolitisch wenig durchdacht ist auch die grundsätzliche Stoßrichtung. Einkommenslöcher der öffentlichen Haushalte lassen sich prinzipiell durch drei Maßnahmen ausgleichen: Steuererhöhung, Ausgabensenkung und Neuverschuldung. Die finanzpolitische Leistung der alten Regierung war das systematische Festhalten an ihrem Postulat, nicht zu einer höheren Neuverschuldung zu greifen. Da auch Ausgabenkürzungen weitgehend ausblieben, wählte sie allein das Mittel der Steuererhöhung.

Nun führt die rot-grüne Regierung eine Mischung aus den drei Grundstrategien ein. Ein bißchen Ausgabenkürzung, etwas mehr von der höheren Neuverschuldung und vor allem jede Menge Steuererhöhung. Das muß und wird sicher noch nicht ihre letzte Auswahl sein. Denn gerade die Preisgabe des Prinzips, eine höhere Neuverschuldung strikt abzulehnen, eröffnet verführerische Möglichkeiten. Zumal die EU neuerdings meint, der Stabilitätspakt mit seiner engen Eingrenzung der Neuverschuldung sei dumm. Jetzt kann Schröder um so mehr gerade auf die Steuererhöhungspläne verzichten, die der finanzpolitischen Grundregel widersprechen, möglichst hohe Steuereinnahmen mit möglichst wenig Geschrei der gerupften Steuerzahler zu erzielen. Und derer gibt es nicht wenige im Koalitionspapier. Dagegen bleibt die ökonomische Vernunft, fehlende Staatseinnahmen grundsätzlich durch Ausgabenkürzungen auszugleichen, mehr und mehr auf der Strecke.

Neben dem ökonomischen Sachverstand fehlt auch das psychologische Feingefühl. Die hemmungslose Ausweitung der Steuerforderungen führt zu ebenso heftigen Gegenreaktionen. Schon haben viele Firmen angekündigt, den Standort Deutschland endgültig verlassen zu wollen. Vielfach werden diese spontanen Entschlüsse auch dann beibehalten, wenn die Regierung wesentliche Steuererhöhungsbeschlüsse zurücknimmt. Ihr Ruf, unzuverlässig und unberechenbar zu sein, wird dadurch nicht mehr verringert.

Die alte Weisheit, "Investoren sind wie ein scheues Reh", kommt nun doppelt zum Tragen. Zum einen wird den Unternehmen durch die verschärfte Gewinnbesteuerung weiter die materielle Grundlage für Neuinvestitionen entzogen, zum zweiten führt die zunehmende Ungewißheit über den künftigen Kurs der Politik zu einem überproportionalem Absinken der grundsätzlichen Investitionsneigung.

Viele der genannten Mängel fallen unter die Rubrik "Handwerkliche Fehler der Regierungsarbeit", verursacht von laienhaft agierenden Wirtschaftspolitikern im Rausch des Wahlerfolgs. Verschärfend kommt jedoch die grundsätzliche Sozialphilosophie hinzu. Schon die Wahlen wurden unter dem Totschlagargument "soziale Gerechtigkeit" nach dem Motto gewonnen: den Reichen nehmen, um es den Armen zu geben. Dementsprechend ist das Wahlverhalten der Wähler, die sich sagen: Zähle ich zu dem Bevölkerungsanteil mit dem geringerem Einkommen, wähle ich die Partei, die mir verspricht, den reicheren Teil des Volkes zu meinen Gunsten auszunehmen. Da sich die Mehrheit immer eher zu den Geringerverdienenden rechnet, verwundert es nicht, wenn diese Denkungsart die demokratische Mehrheit bildet.

Ebenso konsequent ist die anschließende Politik der Umverteilung durch höhere Steuereinnahmen und zumindest gleichbleibende Transferzahlungen des Staates an den demokratisch erfaßten ärmeren Teil. Der Anreiz, zu den Reichen zu zählen, nimmt folglich immer stärker ab. Da Reichtum aber überwiegend aufgrund effizienter ökonomischer Leistungsfähigkeit erzielt wird, schwindet zwangsläufig dieses Leistungsergebnis. Die Folge: immer weniger wird umverteilt, bis sich die Gleichverteilung auf niedrigstem Niveau einpendelt. Dieses klassisch sozialistische Wirtschaftssystem feiert in der Bundsrepublik einen Neubeginn. In ihrem nahezu pathologischen Haß auf elementare Grundregeln einer erfolgreichen Volkswirtschaft, die sie verächtlich als neo-liberal verketzert, versucht die rot-grüne Regierung in ihrer zweiten Regierungsperiode Deutschland in eine neo-sozialistische Republik umzuwandeln.


 
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