© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/02 25. Oktober 2002

 
Blick in die Medien
Kandidat
Ronald Gläser

Stoiber mußte verlieren. Zu phantasielos und langweilig war sein öffentliches Erscheinungsbild. Das gilt in Europa genauso wie in Amerika. Dort steht nun eine neue Dimension des medialen Wahlkampfs bevor. Das Fernsehen ermittelt selbständig einen Präsidenten, jenseits politischer Gruppierungen und Machtzentren. Eigentlich steht nur die Frage im Raum, warum dieses Projekt nicht schon früher in die Tat umgesetzt worden ist. Der Unterhaltungssender FX von Medienzar Rupert Murdoch sucht nach einem Bürgervertreter, den die Zuschauer auf den Stimmzettel katapultieren. Kandidaten können sich derzeit mit Lebenslauf, Videoband und fünfzig Unterstützerunterschriften bei FX bewerben. In einem Auswahlverfahren à la Bigbrother oder Popstars werden dann die Favoriten selektiert. FX glaubt, das Zweiparteiensystem in den USA aufbrechen zu können. Der Sender hofft zum Beispiel auf einen "Klempner aus Detroit, der kein Blatt vor den Mund nimmt." Vielleicht kann sich auch Al Bundy, der Schuhverkäufer aus Chicago bewerben. Am 4. Juli 2004 soll theatralisch der Kandidat bestimmt werden. Es gibt sogar positive Stimmen zu dieser außergewöhnlichen Idee. Aber natürlich überwiegt die Kritik an der FX-Show. Ein Soziologe von der New Yorker Universität äußerte symptomatische Kritik daran: Diese Sendung fördere die Illusion, die Menschen wären in der Lage, sich selbst zu regieren. Ist das nicht das Prinzip der Demokratie (das heißt der Volksherrschaft)? Vielleicht wird George W. Bush 2004 von Will Smith, Harrison Ford oder Britney Spears abgelöst... 


 
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