© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/02 25. Oktober 2002

 
Bärtiger Oberdruide
Anglikanische Kirche: Rowan Williams wird neuer Primas
Catherine Owerman

Auf eigenen Wunsch scheidet George Carey (66) vorzeitig aus dem Amt des Erzbischofs von Canterbury, doch mit so einem Nachfolger hatte er nicht gerechnet: Rowan Williams, bislang Erzbischof von Wales und dezidiert linker Theologe. Antreten wird Williams sein Amt am 1. November.

Noch vor vier Jahren hatte der eher konservative Carey Williams Karriere vergeblich zu behindern versucht. "Er schäumt vor Wut", berichtete eine Quelle aus hohen Kirchenkreisen vertraulich. In einer offiziellen Erklärung ließ Carey dagegen verbreiten, "mit Freude" habe er von Williams Wahl durch die königliche Berufungskommission erfahren. Als 104. Erzbischof von Canterbury wird Williams neuer Primas der anglikanischen Kirche und Oberhaupt von rund siebzig Millionen Anhängern der Anglican Community.

Weltanschauliche Konflikte sind vorgezeichnet, denn der frühere Oxford-Professor ist ein typisches Produkt der 68er Kulturrevolution. Williams ist 52 Jahre alt, verheiratet und Vater zweier Kinder. Er bezeichnet sich als einen "bärtigen Linken" und hat keine Probleme mit seiner Ernennung zum "Oberdruiden" eines walisischen Bardenordens. In den frühen 1980er Jahren demonstrierte er linke Friedenslieder singend vor amerikanischen Militärbasen, damals noch Arm in Arm mit dem jungen Labour-Abgeordneten Tony Blair. Heute gehört er zu den erklärten Gegnern der Irak-Politik des Premierministers. Trotzdem war es vor allem Blair, der gegen alle konservativen Widerstände Williams Ernennung vorantrieb.

Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Williams bislang weniger durch seine linksliberalen, theologischen Werke bekannt, als durch seine Förderung praktizierender Schwuler als Priester. Das erregte nicht nur den traditionalistischen Flügel der Church of England, sondern vor allem die Konservativen in Afrika und in Nordamerika. "Er will ein 'Radikaler' sein, hat er verkündet. Das heißt wohl, er wird die Ideen, die vor einem halben Jahrhundert bei der intellektuellen Elite in Mode waren, wieder hochwürgen", kommentierte ein englischer Geistlicher erregt. Man könne jetzt nur ausharren und zusehen, "wie die Kirche ihrem radikal unterstützen Niedergang zusteuert".

Manche sprechen bereits von einer drohenden Spaltung der anglikanischen Kirche. Ein südafrikanischer Reverend: "In weiten Kreisen der Kirche wird Williams als ein theologischer Rückschlag in die permissiven, liberalen 1960er Jahre angesehen." Eine Trennung sei vielleicht gar nötig, "damit das heidnische Britannien wieder einmal eine Vorstellung bekommt, worin wahres Christentum besteht".

Während im zunehmend entchristlichten Großbritannien nur mehr drei Prozent der Menschen regelmäßig in die Kirche gehen, spriessen in Afrika neue Gemeinden wie Pilze aus dem Boden, die in Sachen Homo-Priester wenig Spaß verstehen. Um die maroden Finanzen der anglikanischen Kirche zu sanieren, braucht Williams zudem die Unterstützung der reichen nordamerikanischen Bistümer. Dort aber haben strengkonservative Evangelikale das Sagen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen