© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/02 25. Oktober 2002

 
Liberale Intifada
Nordrhein-Westfalen II: Die bisherige Vize-Chefin der FDP, Ulrike Flach, will Jürgen Möllemann als Landesvorsitzende beerben
Ronald Gläser

Seit Montagabend herrscht wieder Ruhe bei den Liberalen an Rhein und Ruhr. Jürgen Möllemanns langjährige Stellvertreterin Ulrike Flach soll ihn beerben. Damit geht Parteichef Westerwelle auch einen Schritt auf die Möllemann-Anhänger zu.

Der blasse Andreas Pinkwart wird FDP-Vizechef und erhält so seinen Lohn für den Treuebruch gegenüber Möllemann. Personell ist die Krise in der FDP beendet. Finanziell werden sich die Liberalen in Zukunft einschränken müssen. Nach Lesart seiner Gegner hat Möllemann im Amt gegen das Parteispendengesetz verstoßen. Den harten Auflagen des Gesetzes zufolge müßte die FDP 840.000 Euro zurückzahlen. Und Möllemann droht ein Strafprozeß. Daß es dazu kommt, ist offenbar das wichtigste Anliegen von Westerwelle und Rexrodt. Parteimitglieder sagen ihnen nach, die ganze FDP versenken zu wollen, wenn nur Möllemann dabei mit untergehe. Dies ist jetzt eingetreten. Auch ein Ausschlußverfahren gegen Möllemann ändert nichts an dem ohne Not verursachten Imageschaden.

Bemerkenswert ist, daß sich Günter Rexrodt zum Chefankläger in Sachen Parteispenden macht. Rexrodts Berliner Landesgeschäftsführer Knut-Michael Wichalski nennt seit Jahren lokalen Funktionären die anzuwendenden Tricks. Rexrodt sprach von einer "fiktiven Liste" von Spendern. Den Begriff "fiktiv" kennt er gut, seit ihm vor einem Jahr nachgewiesen wurde, mit fiktiven Mitgliedern die Mehrheitsverhältnisse im Berliner Landesverband manipuliert zu haben. Die Praxis Rexrodts, parteiintern die Mitglieder durch vorschnelle Anschuldigungen zu diskreditieren ist nicht neu. Schon deshalb müssen bis zur Genesung und Erwiederung Möllemanns Zweifel an der freidemokratischen Offizialversion des "Skandals" erlaubt sein. Rexrodt brüstete sich sogar damit, daß erstmals eine Partei aus Eigeninitiative mit Ermittlungen begonnen habe. So sei er auf die 840.000 Euro gestoßen, die der Finanzierung der Postwurfsendung gedient hatten. Erst hatte sich die Partei-Spitze (nicht der politische Gegner) über den Inhalt echauffiert. In dem Flugblatt heißt es über den Nahost-Konflikt: "Von diesen Attacken (Friedmans, Anm. d. Verf.) unbeeindruckt wird sich Jürgen W. Möllemann auch weiterhin für eine Friedenslösung einsetzen, die beiden Seiten gerecht wird." Für einen Anti-Möllemann-Putsch reichten diese moderaten Worte nicht aus. Aber die Finanzierung scheint am Parteiengesetz vorbei zustande gekommen zu sein. Am 16. September war versucht worden, 838.218,60 Euro von Möllemanns Firmenkonto abzubuchen. Vier Tage später begannen die Bareinzahlungen bei vierzehn Banken im ganzen Bundesgebiet. Die Gesamtsumme dieser Parteispenden entsprach mit 840.000 Euro dem fälligen Betrag - sicherlich kein Zufall. Aber von den angeblichen 145 Spendern scheint keiner eine Spende getätigt zu haben. Die wirklichen Spender zu nennen, das ist nun das Hauptanliegen der FDP-Führung. Möllemann widerspricht pauschal allen Vorwürfen, kann oder will aber erst in einigen Wochen Auskunft geben. Indes gibt es mehrere Möglichkeiten, wo das Geld herkommt: Möllemann könnte es selbst gespendet haben. Es könnte auch von arabischen Geschäftsleuten oder Staatsmännern kommen. Der Palästinenser Said Dubin, Mitarbeiter in der irakischen Botschaft, hatte im Frühjahr versucht, Möllemann finanziell zu unterstützen. Auch der Sohn Muammar el Gaddafis und Möllemanns Geschäftspartner Rolf Wegener gelten als potentielle Quellen.

In einer Erklärung verwahrte sich Möllemann gegen die "Diffamierung und Kriminalisierung" durch die FDP-Spitze. Er kündigte an, sein politisches Engagement nach seiner Genesung wiederaufzunehmen. Eine Reihe von enttäuschten Liberalen könnte der Partei unter seiner Führung den Rücken kehren. Eine Neugründung wäre bundesweit vielleicht erfolgversprechender, als die letztlich regionale Schill-Partei.


 
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