© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/02 25. Oktober 2002


Wirtschaftspolitik
Wann platzt der Kragen?
Dieter Stein

Auch wir berichten in dieser Ausgabe (siehe Seite 20) erneut über die dramatische Entwicklung der deutschen Zeitungsbranche. Im Sog der beschleunigten wirtschaftlichen Talfahrt sind die Umsätze der Presse-Riesen dahingeschmolzen. Nachrichten über drohende Insolvenz bei der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau überschlagen sich. Massenentlassungen drohen. Banken fordern die Reduzierung der Vorstandsposten. Über Kürzungen bei der FAZ und anderen Blättern wird seit Wochen berichtet. Die Verlage sind dabei nur ein kleiner Ausschnitt der Wirtschaft, die schwer gebeutelt, nun unter hohem Druck Krisen bewältigen muß. Überall treten die Folgen von Mißmanagement und überzogenen Erwartungen zutage. Aber: Wer hier nicht schnell handelt, bei dem klopft der Konkursrichter schon morgen an die Tür und der Laden ist dicht.

Was ist mit dem Staat? Soeben hat der neue rot-grüne Vorstand der "Deutschland AG" wieder seine Sessel bezogen. Beim Bundeshaushalt sieht es nicht anders aus als in der privaten Wirtschaft. Die Ausgaben übersteigen die Einnahmen doch schon seit Jahrzehnten. Während viele Firmen (wenn sie nicht Holzmann oder Mobilcom heißen) aber an allen Ecken und Enden kürzen, sparen und streichen, um die Existenz zu retten - was macht der Staat? Die ewig gleiche Antwort: 2003 werden die Steuern und Abgaben erhöht bzw. Entlastungen aufgeschoben (nach Angaben des Bundes der Steuerzahler rund 12 Milliarden Euro) und neue Schulden aufgenommen (rund 2,6 Milliarden mehr als geplant). Keine Firma käme auf die Idee, bei explodierenden Kosten immer weiter die Preise zu erhöhen. Sie wäre noch schneller pleite als vorher.

Unverschämt ist schon die überdimensional aufgequollene Parlamentsbürokratie. Alleine 560 Millionen Euro verschlingt der Bundestag. Die Verkleinerung der Volksvertretung um 60 Abgeordnete hat den Etat übrigens nicht schrumpfen lassen.

Schröder hätte, wie schon andere Kanzler zuvor, die Möglichkeit zu einer "Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede". Es wäre wohl möglich, große Reformen und Anstrengungen einzugehen. Doch dies geschieht wieder nicht. Warum? Weil das "Weiter so" zum Wesenskern unserer Wohlstandsgesellschaft gehört. Und das wissen alle. Verzicht ist ein Fremdwort.

So leckt es aus allen Flanken des Staates. Überall versickert das von Millionen Bürgern erarbeitete Geld in den fein verästelten Kanälen einer geldfressenden Bürokratie. Die Schmerzgrenze ist also noch immer nicht erreicht. Bei jeder Wahl werden Parteien gewählt, die weiterwursteln wie bisher - und die Mehrheit der Bürger weiß und akzeptiert es.

Also rauf mit den Steuern, schmeißt das Geld mit beiden Händen zum Fenster hinaus! Wie bei Goethes "Zauberlehrling" kommt erst noch der Punkt, wo die Mehrheit des Volkes zur Einsicht kommt, daß die Flut den Pegel überschritten hat. Die auf dem Lohnstreifen ausgestellte Quittung für die kollektive Völlerei ist wohl immer nicht schmerzlich genug. Solange wird weitergepraßt wie bisher.


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