© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/02 18. Oktober 2002

 
PRO&CONTRA
Präventivschlag gegen den Irak?
Henry J. Hyde / Franz Alt

Erneut sieht sich die Welt der Bedrohung eines mit chemischen, biologischen und vielleicht sogar atomaren Waffen ausgerüsteten Saddam Husseins gegenüber. Diese Tatsache ist schon beängstigend genug, dennoch sollten wir unsere Aufmerksamkeit nicht allein auf Saddams militärischen Mittel richten, denn die eigentliche Gefahr geht von ihm selbst aus. 1980 überfiel er den Iran und eröffnete ein Jahrzehnt des Krieges am Golf. 1990 überfiel er Kuwait und errichtete ein brutales Besatzungsregime. Die ganze Welt sollte endlich die Gefahr erkennen, die Saddam für uns alle bedeutet und deshalb jede Möglichkeit begrüßen, ihm in den Arm zu fallen, bevor er bereit ist loszuschlagen. Ist es denn wirklich notwendig, uns erst daran zu erinnern, wie die Welt zugesehen hat, als Hitler kühn seine Angriffsziele proklamierte und offen seine Armeen aufrüstete?

Durch die ständige Wiederholung des Begriffs "Massenvernichtungsmittel" ist das Wort beinahe banal geworden, aber die unvorstellbare Vernichtungsgewalt dieser Waffen erfordert unsere dauernde Konzentration darauf jene Maßnahmen zu ergreifen, die nötig sind, um uns gegen eine solche Bedrohung zu verteidigen. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben keine andere Wahl als zu handeln, wenn möglich, gemeinsam mit unseren Verbündeten, wenn nötig allein. Denn unsere Feinde beobachten uns, Saddam Hussein beobachtet uns. Man erhofft sich Anzeichen unserer Entschlußlosigkeit und Schwäche festzustellen, die daher rühren, daß wir im Verbund mit anderen zu handeln bereit sind. Vor einem Jahrhundert stand Großbritannien auf dem Gipfel seiner Macht. Nur 40 Jahre später hatte es ein Messer an der Kehle. Es überlebte, weil wir es gerettet haben. Uns aber wird niemand retten. Wir können unser Schicksal nicht einem anderen anvertrauen. Im Namen der Tapferen - der Lebenden und der bereits Gefallenen - die bereit sind, den Preis der Freiheit zu bezahlen, laßt uns handeln!

 

Henry J. Hyde, Abgeordneter der Republikaner, ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des US-Repräsentantenhauses.

 

 

Saddam Hussein ist ein Schurke! Nur: Der Afghanistan-Krieg der USA mit bislang etwa 7.000 Toten hat bewiesen, daß Terrorismus mit Krieg nicht besiegt werden kann. Es gibt heute mehr Terroristen als vor dem 11. September. Die Terror-Gefahr ist durch den Krieg größer geworden und nicht kleiner.

Mehrere UN-Waffeninspekteure und sogar der CIA bestreiten, daß Saddam heute über nennenswerte Massenvernichtungsmittel verfügt. 1980 führte Saddam Krieg gegen den Iran. Das ist leider wahr. Aber er führte diesen Krieg auch durch Ermunterung der USA. Es war ein Krieg um Öl im Sinne der USA. Die USA haben Saddam Hussein ebenso unterstützt wie später Osama bin Laden. Und heute dienen beide als Feindbilder, um Kriege zu rechtfertigen.

Das ist keine seriöse Politik. Die USA wollen Saddam daran hindern, daß er Massenvernichtungswaffen entwickelt. Doch niemand verfügt über so viele Massenvernichtungswaffen wie die USA. Was der US-Präsident vorschlägt, ist ein völkerrechtswidriger Präventiv-Krieg. "Du sollst nicht töten" - das gilt auch für den bekennenden Christen George W. Bush.

Ein Krieg auf dem Pulverfaß Nahost birgt riesige Gefahren für die gesamte Menschheit. Die Leichtfertigkeit, mit der Bush diesen Krieg unbedingt will, ist erschreckend. Vater Bush hatte beim letzten Irak-Krieg 340.000 Tote zu verantworten. Massenmord ist nie eine Lösung. Terrorismus kann nicht durch Staats-Terrorismus überwunden werden. Die Verhandlungen zwischen den Vereinten Nationen und dem Irak haben gezeigt, daß es vernünftigere Wege gibt, um Konflikte zu lösen.

Bitte weiter verhandeln, dann handeln! Dieser unverhohlene Aufruf zum Krieg ist eine Bankrott-Erklärung der US-Politik und US-Diplomatie - ein Verbrechen. Der Schaden dieser Kriegspolitik wäre weit größer als das Übel, das verhindert werden soll.

 

Franz Alt war bis 1988 CDU-Mitglied. Der frühere "Report"-Moderator präsentiert heute das 3sat-Magazin "Grenzenlos".


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen