© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/02 11. Oktober 2002


Mit Bernd und Armin am Kamin
Friedrich-Naumann-Stiftung: Eine Tagung zum Thema "Die Neue Rechte und ihre Freunde" mit Verfassungsschützern und einem Überrraschungsgast
Klaus P. Lücke

Nachdem die Bedeutung rechter Parteien bei der jüngsten Bundestagswahl vom Stimmbürger marginalisiert worden ist, hätte es nicht weiter verwundert, wenn der für Anfang Oktober einberufenen, dreitägigen Veranstaltung der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung das Thema abhanden gekommen wäre. Aber weit gefehlt. Die Referenten zauberten ungeniert - Wahlniederlage der Rechtsparteien hin, ideologische Zerstrittenheit der "Neuen Rechten" her - "rechtsintellektuelle" Verschwörungstheorien "gegen den liberalen Verfassungsstaat" vor einer kleinen Schar von weniger als zwei Dutzend Teilnehmern aus dem Hut. Anhand programmatischer Texte von Rechtsintellektuellen aus der Vor- und des französischen "Neurechten" Alain de Benoist aus der Nachkriegszeit wollten die Referenten, allen voran Verfassungsschutz-Mitarbeiter Armin Pfahl-Traughber, auf das "Bedrohungspotential" durch "rechtsextreme Intellektuelle" hinweisen und Gegenstrategien erörtern.

Pfahl-Traug­hber eröffnete die Diskussion mit einem Vortrag über "Gramscismus von Rechts". Dabei knüpfte der Referent an den italienischen Marxisten Antonio Gramsci an, der in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts eine Strategie der "Kulturrevolution" entworfen hatte. Nach Gramscis Auffassung sollten die Intellektuellen eine inhaltliche Vorherrschaft in den politischen Diskursen anstreben. Obgleich dieser Gedanke von einem Linksradikalen entworfen und von den 68ern in ihrem "Marsch durch die Institutionen" erfolgreich praktiziert worden ist, sah Pfahl-Traughber hier ausgerechnet eine konkrete Gefahr von Rechts. Denn: die Neue Rechte in Frankreich habe die Idee der intellektuellen Unterwanderung des Staates aufgegriffen! So habe der ideologische Kopf der französischen Neuen Rechten, Alain de Benoist, Gramscis Ideen ein ganzes Buch gewidmet.

Der Vortrag konnte jedoch nicht verdeutlichen, was dieses immerhin schon etwa 20 Jahre alte Buch, das sich keinesfalls apologetisch, sondern kritisch mit Gramscis Theorien auseinandersetzt, zur Klärung der aktuellen "Bedrohungssituation" durch Rechtsintellektuelle in Deutschland beitragen soll. Ziemlich unspezifiziert blieb auch der Hinweis, daß sich ebenfalls der Staatsrechtler Carl Schmitt in seinen Arbeiten auf Gramsci bezogen habe. Wie sich herausstellte, hatte sich kaum jemand unter den Seminarteilnehmern zuvor je mit Gramsci, Schmitt oder Benoist beschäftigt. So konnte es nicht ausbleiben, daß die dämonisierenden Ausführungen des Verfassungsschutz-Mitarbeiters monströse Vorstellungen zeugten. Bei einer Analyse von Originaltexten Carl Schmitts vermuteten jungliberale Seminarteilnehmer schließlich ernsthaft, daß sich hinter Schmitts berühmtem "Begriff des Politischen", der sich in der Unterscheidung von Freund und Feind äußert, etwa die Planung eines Vernichtungskrieges gegen Afrika verbergen könne!

Nachdem Pfahl-Traughber die Bedrohung unserer Gesellschaft durch intellektuelles rechtes Gedankengut beschworen hatte, widmete er sich in einem weiteren Vortrag der Frage, was denn jene ominöse "Neue Rechte" überhaupt sei. Enttäuschend blieb dabei seine - später auch von dem Hamburger Politikwissenschaftler Wolfgang Gessenharter kritisierte - phantasielose Einordnung in ein simples Rechts-Links-Schema. Auch sonst überwogen die Plattitüden: die "intellektuellen Rechten" seien gegen "Gleichheit" und "Individualismus", sie sähen im Liberalismus einen Gegner. Weiterhin seien sie vergangenheitsfixiert und wollten mit dem gemeinen Volk nicht viel zu tun haben. In diesem Zusammenhang wurde JF-Chefredakteur Dieter Stein als Kronzeuge angeführt; er habe angeblich in einem Beitrag bedauernd geäußert, daß es zum Beispiel "bei einer Kooperation" mit den Republikanern unvermeidlich sei, daß "man" auch mal neben einem Gärtner Platz nehmen müsse. Es kam noch hanebüchener: Der emeritierte Bonner Politiwissenschaftler Hans-Helmuth Knütter etwa sei als Wissenschaftler "wenig bedeutsam" und im Tischgespräch streute Professor Gessenharter gestikulierend ein, daß der Göttinger Autor und Historiker Karlheinz Weißmann ein Zitatenfälscher und damit wissenschaftlich erledigt sei. Mit anderen Worten: Nur die Dummen lassen sich von den Rechtsintellektuellen beeindrucken. Aber das sei schon gefährlich genug.

Von den Referenten wurden allerdings auch einige interessante Wahrheiten angesprochen. So betonte der Bonner Politikwissenschaftler Frank Decker in seinem Vortrag "Rechtspopulismus auf dem Vormarsch?", daß "selbstverständlich" in der Vergangenheit das Asylrecht zur Einwanderung "mißbraucht" worden sei. Aber das sei als Notbehelf ganz normal und zwangsläufig gewesen, eben weil es in Deutschland kein Einwanderungsrecht gegeben habe. Auch die sich durch Massenzuwanderung und Überalterung ergebenden dramatischen demographischen Verschiebungen in Deutschland wurden keinesfalls geleugnet. Tenor war jedoch, daß die Prognose, daß die Deutschen in vermutlich wenigen Jahrzehnten hierzulande eine ethnische Minderheit darstellen würden, für die Rechten nur wenig Chancen zur Agitation biete; vielmehr legten Untersuchungen die Schlußfolgerung nahe, daß der Gewöhnungsprozeß an die Fremden in der Bevölkerung überwiege. Und schließlich sei die Erfolglosigkeit der Rechten vor allem dadurch gewährleistet, daß sie durch den Bezug auf den Nationalsozialismus erfolgreich stigmatisiert werden könnten.

Vielmehr wies Decker darauf hin, daß bei den in zwei Jahren anstehenden Europawahlen vermutlich mit einem neuen Wahlerfolg rechtspopulistischer Parteien zu rechnen sei. Zur Begründung führte er an, daß das Thema "Europa", "EU" und "Euro" weit weniger durch Vergangenheitsbezüge belastet sei, als dies beispielsweise für die Zuwanderungsfrage gelte. Als Strategie "gegen Rechts" empfahl Decker die "Besetzung rechter Themen" durch die etablierten Parteien. Dies könne zwar irritierend wirken, sei aber mit Blick auf die erzielbare Schwächung von Rechtsparteien entschuldbar. In diesem Zusammenhang wies der Referent darauf hin, daß den Rechten schon durch die Wiedervereinigung und die Änderung des Asylrechts Anfang der neunziger Jahre wichtige Themen abhanden gekommen seien, was für ihre aktuelle Schwäche mit verantwortlich sei.

Als Höhepunkt und als Gesellenstück des Kampfes gegen Rechts wurde den Seminarteilnehmern im Rahmen eines Kamingesprächs der Verleger Bernhard C. Wintzek präsentiert. Wintzek ist Herausgeber der Monatszeitschrift Mut. Diese Publikation galt bis zum Ende der achtziger Jahre als rechtsextrem und wurde regelmäßig in den Verfassungsschutzberichten genannt. Wintzek gründete Mut als Agatitationsorgan im Vorfeld der NPD, in der er einst zum radikalen Flügel gehörte. Auf Grund einer, übrigens widerwärtigen und geschmacklosen Attacke gegen die damals im deutschen Fernsehen gezeigte umstrittene US-Serie "Holocaust" wurde eine Ausgabe von Mut indiziert. Dies, so die wenig nachvollziehbare Aussage Wintzeks, sei für ihn Anlaß gewesen, das Ruder herumzureißen und eine Kehrtwende in der politischen Ausrichtung der Monatszeitschrift einzuleiten. Damals sei er stark verschuldet gewesen. Heute floriert Mut offensichtlich wieder. Die Autoren wurden von Wintzek bis auf wenige Ausnahmen komplett ausgewechselt. Heute schreibt dort, was in der etablierten Politik Rang und Namen hat. Auch Verfassungsschützer Armin Pfahl-Traughber ist regelmäßig mit Beiträgen vertreten. Man ist per Du und begrüßt sich schulterklopfend am knisternden Kaminfeuer.

Im abendlichen informellen Gespräch der Seminarteilnehmer beim Kölsch in der Kellerbar des Theodor-Heuss-Instituts wurde daher die Variante diskutiert, ob die Wandlung von Mut nicht etwa ein Modell für die Übernahme der NPD durch den Verfassungsschutz darstellen könne, zumal mit der Unterwanderung der Partei - quasi eine Variante des "Gramscismus" gegen Rechts - schon wichtige Vorarbeit geleistet worden sei.


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