© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/02 11. Oktober 2002


Tag der deutschen Einheit
Weit entfernt von einer Bananenrepublik
Dieter Stein

Vergangene Woche beging Deutschland den Tag der Deutschen Einheit in Berlin. Da in diesem Land der Föderalismus hochgehalten wird, tingelt die zentrale Feier durch die Lande. Ausrichtender ist das jeweils im Bundesrat präsidierende Bundesland. Derzeit ist der Regierende Bürgermeister von Berlin Präsident des Bundesrates, so feierte Deutschland ausnahmsweise in seiner Hauptstadt.

Immerhin 750.000 sollen sich Unter den Linden getummelt haben. Statt daß diese dort den von Gerhard Schröder erst kürzlich ausgelobten "deutschen Weg" gewiesen bekamen, stolperten die Werktätigen orientierungslos von Würstchenbude zu Bierzelt. Das Ganze hatte eher den Charme der in Berlin grassierenden als Straßenfeste deklarierten Billig-Jahrmärkte. Nichts erinnerte an den Feiertag einer großen Nation.

Als Höhepunkt des Tages wurde immerhin die Enthüllung des Brandenburger Tores nach zweijähriger Sanierung geboten. Eine schöne Idee, zumal das Tor weltweit als Symbol der deutschen Teilung und der Wiedervereinigung bekannt ist. Gäbe es den "deutschen Weg" oder wäre Deutschland eine normale Nation, dann hätte man das Brandenburger Tor in eine schwarzrotgoldene Hülle verpackt. Nach der Enthüllung wäre in die atemlose Stille hinein die Nationalhymne gespielt und mitgesungen worden, um danach durch ein furioses Feuerwerk abgelöst zu werden.

Nicht einmal in einer Bananenrepublik wäre man auf die Idee gekommen, ein Nationalsymbol statt dessen zum Werbeträger eines schwedischen Energie-Konzerns namens Vattenfall degradieren zu lassen. So umhüllte die klamme Vattenfall-Plane die schlanken Fesseln des renovierten Tores und beleidigte das Publikum mit einem dümmlichen Werbespruch ("Power for peace"). Doch nicht genug damit. Ein schrulliger Klamotten-Produzent (Willy Bogner) durfte ebenfalls Werbung für seine Firma machen, indem er sich an einem Vattenfall-Ballon abseilen ließ um, einen "Bogner"-Reißverschluß zu öffnen. Statt Nationalhymne ertönte nach peinlicher Stille der abgedroschene Achtziger-Jahre-Schlager "99 Luftballons" von Nena. Deutschland 2002.

Ausländische Besucher wundern sich über die Unsicherheit und Verklemmtheit, wie sich die Deutschen darstellen - besser, wie die politische Elite dieses Land repräsentiert. Diese kleinkarierte Gier nach Kosmopolitismus, die Unfähigkeit, sich und seine Kultur stolz und mit sicherem Pathos zu demonstrieren, zeigten, daß Deutschland sich immer noch in der Phase eines Interregnums befindet. Zwölf Jahre nach der Wiedervereinigung ist der Knoten noch nicht geplatzt.

Doch es wird sich früher oder später auch bei uns wieder herumsprechen, daß an einem Nationalfeiertag die Straßen beflaggt sind, daß man nicht verkniffen aus der Wäsche schauen muß, weil nationale Freude als politisch unkorrekt gedeutet werden könnte und daß der Tag ein Familienfest ist, an dem man zeigen kann: Wir gehören zusammen, und wir sind stolz auf unser Land.


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