© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/02 04. Oktober 2002

 
Kommerzialisierung: Wie die "Stiftung Denkmalschutz" ein Wahrzeichen verunstaltete
Verballhornung eines Symbols
Dominik Schon

Site-seeing - die Disneyfizierung der Städte", so lautet der Titel einer ab dem 13. Dezember dieses Jahres beginnenden Ausstellung im Hauptgebäude des Künstlerhauses in Wien. Thema der Ausstellung soll der "zeitgenössische Wandel des Urbanen" sein. "Die Stadt wird zum Themenpark, in dem städtische Versatzstücke nach kommerziellen und touristischen Verwertungskriterien neu inszeniert werden", so die zentrale Botschaft der Ausstellungsmacher. "Unterhaltungs- und Freizeitindustrie sowie Medien- und Dienstleistungskonzerne vermarkten, mediatisieren oder disneyfizieren den öffentlichen Raum und bestimmen unser Bild von Stadt."

Was hier am Beispiel von Wien aufgezeigt werden soll, konnten die Berliner über knapp zwei Jahre im Herzen ihrer Stadt beobachten. Da kein Geld für die dringend notwendige Restaurierung des Brandenburger Tors vorhanden war, engagierte die Stadt eine flugs aus dem Boden gestampfte "Stiftung Denkmalschutz Berlin" mit den dafür erforderlichen Arbeiten. Die neugegründete Stiftung bot an, das Brandenburger Tor zum Nulltarif sanieren zu lassen. Möglich wurde dies durch die Deutsche Telekom als Hauptsponsor, der das Wahrzeichen Berlins im Gegenzug als Werbefläche zur Verfügung gestellt wurde.

Von nun an schmückten Abdeckplanen mit monatlich wechselnden Motiven das über 200 Jahre alte Bauwerk, auf denen selbiges in unterschiedlicher Weise verfremdet zu sehen war. Die zum Teil durchaus recht originellen Verfremdungen wurden jeweils flankiert von weitgehend einfallslosen Werbebotschaften, verbunden mit dem Telekom-Logo. "Die Welt rückt näher" heißt es da etwa, ein anderes Mal erfahren wir von der Deutschen Telekom "Die Welt wird kleiner" oder etwa "The world's getting closer". Botschaften, wie sie unterschiedlicher und aufregender nicht sein könnten. Wem das noch nicht reicht: Zum 50. Geburtstag der Bildzeitung verwandelten sich die auf den Planen abgebildeten Säulen in den Schriftzug "BILD". Kommerz und Zeitgeist vermittelt durch das Brandenburger Tor als zu Stein gewordener Dauerwerbesendung.

Doch auch politische Botschaften fehlten nicht: Beim Berlin-Besuch des amerikanischen Präsidenten George W. Bush mutierte das Brandenburger Tor kurzerhand zum Symbol uneingeschränkter Solidarität, im Hintergrund war das Weiße Haus abgebildet. Mr. President wird sicherlich begeistert gewesen sein.

Weniger erfreulich verliefen die Bauarbeiten am Tor, die von vielfältigen Vorwürfen begleitet wurden. Der Senat habe das ganze Paket freihändig an ehemalige Amtsträger hinübergeschoben, so die Anschuldigungen. In der Tat ist der ehemalige Landeskonservator Berlins, Helmut Engel, nun Geschäftsführer der Stiftung Denkmalschutz Berlin.

Auch die Vergabepraktiken erschienen so manchem anstößig. Von einer öffentlichen Ausschreibung für die Sanierung hielt die für die Dauer der Arbeiten nominell als Eigentümerin fungierende Stiftung Denkmalschutz nämlich nichts, statt dessen wurde eine bisher nicht bekannte Restaurierungsfirma "Caro" mit den Arbeiten beauftragt. Die Stiftung gelte als privater Bauherr und müsse daher die Arbeiten nicht öffentlich ausschreiben, so die Antwort der Stiftung auf die Vorwürfe.

Daraufhin kamen die Sanierungspraktiken der Firma ins Gerede. Es hieß zwischenzeitlich, daß das Brandenburger Tor möglicherweise nach Beendigung der Sanierungsarbeiten in einem schlechteren Zustand sein könnte als zuvor. Insbesondere der Einsatz eines Lasers für die Arbeiten (zur Steinbearbeitung) wurde kritisiert. Vorwürfe, die jedoch nicht konkret belegt werden konnten und teilweise wieder relativiert wurden. Auch die lange Restaurierungszeit ließ Unmut entstehen. Man wolle mit der längeren Sanierung weitere Werbemillionen kassieren, so die Vorwürfe gegen die Stiftung Denkmalschutz. Immerhin zahlte die Deutsche Telekom monatlich etwa 175.000 Euro. Doch auch hier wiegelten die Verantwortlichen ab. Das Sponsorengeld gehe "eins zu eins in die Arbeiten am Tor".

Neben viel Zustimmung in der Öffentlichkeit erfuhr die Telekom-Werbung auch Kritik. So etwa äußerte Adrian von Buttlar, Professor für Kunstgeschichte in Kiel, daß sich der Mißbrauch eines Denkmals über kurz oder lang in dessen Bedeutung einpräge und die authentische historische Botschaft übertöne. Er forderte einen Konsens über die Grenzen der "kommerziellen Verwerbung".

Ergänzend könnte man fragen, ob diese Grenzen nur für Denkmäler gelten sollen. Vielmehr scheint der seit langem beschworene Konsumterror mittlerweile Wirklichkeit geworden zu sein. Rückzugsgebiete gibt es jedenfalls in den Städten nicht mehr. Der bekannte amerikanische Soziologe Richard Sennett führt hierzu treffend aus: "...es fand eine rücksichtlsose Kommerzialisierung des öffentlichen Raums statt, die Aktivitäten anderer Art diszipliniert oder ausschließt." "Shopping" als Daseinsberechtigung der Stadt.

In 56.900 Arbeitsstunden, so informiert uns die Telekom, sei das Wahrzeichen Berlins gereinigt, statisch gesichert und Schadstellen ausgebessert worden. Nun wurde das Brandenburger Tor den Berlinern im Rahmen einer großangelegten Inszenierung zurückgegeben. Zur Feier der Wiedereröffnung des Tors wurde eigens Willy Bogner nach Berlin gebracht, der die Enthüllung spektakulär in Szene setzte. Schade nur, daß der "Dior der Skimode" hierbei nicht seine neue Kollektion vorstellen konnte. Es wäre ein würdiger Abschluß für den Werbefeldzug rund um das Brandenburger Tor gewesen.

In Marketingkreisen jedenfalls war man von der Telekom-Aktion begeistert. Für ihre Außenwerbung erhielt die Telekom in der Kategorie "Ungewöhnliche Nutzung von Werbeplätzen" den "Contrast Award" beim Plakattag in Frankfurt/Main. Es sollten eher werbefreie Zonen geschaffen werden!


 
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