© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/02 04. Oktober 2002

 
Pankraz,
K. Adenauer und die Bastler von St. Augustin

Eine hübsche und nicht ganz unwichtige Begleiterscheinung des politischen Lebens sind jene Stiftungen und zugeordneten Monats- bzw. Vierteljahres-Zeitschriften, die zwar im Wohlwollen der Parteien stehen und oft auch von ihnen unterstützt werden, sich aber nicht ohne weiteres auf die Parteilinie festlegen lassen, vielmehr das "lose Sympathisantenfeld" reflektieren. Sie stellen etwa das dar, was in Amerika think tanks heißt: Foren freier, ungegängelter Diskussion, aus denen die mitdiskutierenden aktiven Politiker strategische Anregungen schöpfen, doch auch mancherlei Warnungen und ungescheute Kritik erfahren.

Glücklich, weil gut beraten, die Partei, die sich solche think tanks leistet. Die CDU/CSU gehört nicht zu den Glücklichen. Wer bei ihr nicht genau in der Spur der gerade gängigen Parolen fährt, wird gnadenlos mit Liebesentzug bestraft, ja, mit Feindschaft überzogen. Für die CDU/CSU gilt nicht (mehr) der weise Grundsatz "Wer nicht gegen mich ist, ist für mich", sondern nur noch das Gegenteil: "Wer nicht für mich ist, ist gegen mich."

Im Zuge des letzten Bundestagswahlkampfs sind unbequeme rechte oder konservative Zeitschriften gleich reihenweise eingegangen oder in die politische Wesenlosigkeit versunken: Epoche, Staatsbriefe, Gegengift, Criticón ... Die CDU/CSU hat bewußt zu diesem Niedergang beigetragen. Zuletzt hat es sogar noch die Deutschland Stiftung und das ihr zugeordnete Deutschland Magazin erwischt, Instanzen, die einst von Konrad Adenauer persönlich ins Leben gerufen wurden und deshalb eigentlich unter Naturschutz stehen müßten.

Der Niedergang der Deutschland Stiftung begann freilich schon unter Helmut Kohl. Zu Adenauers Lebzeiten ging es generös und liberal zu; dem Alten lag es beispielsweise vollkommen fern, sich in die Nominierung der sogenannten Adenauerpreisträger einzumischen, die alljährlich ausgelobt und prämiert wurden. Das überließ er ganz selbstverständlich den jeweiligen Stiftungsvorsitzenden und ihren publizistischen und literarischen Beratern. Nicht so der Parteivorsitzende Helmut Kohl.

Der paßte genau auf, ob die Auserkorenen politisch richtig lagen, und intervenierte grob, wenn ihm jemand nicht behagte, so etwa seinerzeit bei der Benennung Carl Gustaf Ströhms für den Publizistikpreis. Ströhm hatte einige Kritik an der damaligen Kohlschen Ostpolitik geübt, das genügte, um ihn im Kanzleramt und somit auch bei der Deutschland Stiftung auf Dauer zur Unperson zu machen und ihm den Preis zu verweigern.

Unter Kohl verwandelte sich das Deutschland Magazin aus einem think tank in ein Helmut-Kohl-Bejubelungs-Instrument. Sein von Kohl gehegter Herausgeber, Kurt Ziesel, hatte nur zwei Aufgaben: Erstens dem Kanzler üppigste Lorbeerkränze zu flechten, was auch immer passieren mochte, zweitens "den rechten Rand ruhig zu halten", wie sich Kohl ausdrückte. Dafür wurde Ziesel fürstlich entlohnt. Ein überproportionaler Teil der eingehenden Stiftungsgelder wurde auf sein privates Konto weitergeleitet.

Bewährte CDU/CSU-Sympathisanten, erfahrene Publizisten und Moderatoren, die, als Ziesel in die Jahre kam, ihm nach dem Willen der Sponsoren beistehen und ihn schließlich beerben sollten, Reddemann, Böhm, Löwenthal, Graf Huyn - sie alle schlugen die Hände über dem Kopf zusammen, nachdem sie Einblick in die Kommandostränge und Geldströme genommen hatten, und suchten eilig das Weite. Als Kohl und Ziesel schließlich abtraten, war die Stiftung faktisch bereits zur Karikatur ihrer selbst geworden und reif für den Abtransport.

Rettungsversuche aus der Redaktion des Magazins heraus blieben wirkungslos, da der CDU/CSU die ganze Richtung nicht mehr paßte, sie dem Konzept eines geistig unabhängigen think tanks längst abgeschworen hatte. Überdeutlich war das vor zwei Jahren zu verspüren, als Ernst Nolte den Wissenschaftspreis zugesprochen bekam und sowohl Merkel als auch Stoiber durch demonstrative Abwesenheit bei der Übergabezeremonie ihre Mißbilligung kundtaten. Seitdem wurden - angeblich aus Geldmangel - überhaupt keine Preise mehr verliehen, und seit Neuestem ist nun auch klar, daß die ganze Stiftung abgewickelt wird.

Sie soll, wie es heißt, in die parteieigenen, vom Staat
finanzierten Adenauer- bzw. Hans-Seidel-Stiftungen "zurückgenommen" werden. Ein gleiches Schicksal droht auch der anderen think tank-ähnlichen Stiftung, die die CDU/CSU bisher gefördert hat: der Stiftung Weikersheim mit ihren jährlichen Hochschulwochen in Baden-Württemberg. Auch hier ist angeblich kein Geld mehr vorhanden, wird der Laden jetzt nach den Wahlen wohl zugemacht.

Statt Hochschulwochen in Weikersheim soll es künftig eine "Journalistenschule" in St. Augustin bei Bonn geben, die direkt in die Adenauerstiftung eingebettet ist und bei der sich junge Leute bewerben können, "um das publizistische Handwerk zu lernen und einen Zugang zu den vielfältigen Methoden der Medienwelt zu erhalten". Freie, parteiübergreifende Diskussion über politische Inhalte wird ersetzt durch die Vermittlung von Methoden und Trickkisten. An die Stelle geistiger Kraftfelder tritt die mediale Bastelstube.

Ob das eine gute Idee ist? Natürlich liegt man damit wieder einmal voll im Trend des Zeitgeistes und kommt sich wahrscheinlich kolossal modern vor. Das Kalkül ist, daß "das Medium die Botschaft" sei. Wer bei der CDU/CSU "die Medien erlernt", so die Überlegung, der wird sie auch im Sinne der CDU/CSU einsetzen.

Daß man sich da nur nicht täuscht. Letztlich haben noch immer Ideen den Lauf der Dinge bestimmt, und zwar Ideen, die nicht in irgendwelchen Ba-stelanleitungen standen, sondern auf dem offenen Markt gehandelt, hin und her gewendet und von vielerlei Köpfen und Händen getestet und für gut (oder schlecht) befunden wurden.


 
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