© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/02 04. Oktober 2002

 
WIRTSCHAFT
Neue Fassade für den Neuen Markt
Bernd-Thomas Ramb

Die Deutsche Börse AG hat beschlossen, den Neuen Markt einzustellen. Hinter der spektakulären Meldung verbirgt sich das Vorhaben, die indexmäßige Erfassung der Aktienwerte der New-Economy-Firmen zu beenden. Die Firmen bleiben selbstverständlich bestehen. Ob deren Aktienwert durch diese Maßnahme gewinnt, bleibt dagegen fraglich. Da die wirtschaftliche Entwicklung der neuen Unternehmen weiterhin einer zusammenfassenden Beobachtung bedarf, wollen die Börsianer künftig die Einordnung der - teilweise durchaus nicht mehr so jungen - Firmen in ein Premium- und ein Standardsegment vornehmen. Diskriminierender Aspekt ist die Frage, ob die betroffenen Unternehmen international übliche Pflichten der Berichterstattung erfüllen (können oder wollen) oder nicht.

Motiv für die börsentechnische Beerdigung des Neuen Marktes dürfte weniger die Internationalisierung der Bewertungskriterien, als vielmehr der verdorbene Ruf der "Neuen Ökonomie" sein. Ruinöser Aktienwerteverfall und spektakuläre Pleiten, gelegentlich durch Kanzlerinterventionen hinausgezögert, haben die Unternehmen des Neuen Marktes der Lächerlichkeit und dem Zorn der Anleger preisgegeben. Und das, nachdem besagter Kanzler noch vor einigen Jahren die gesamte Neue Wirtschaft als Heilsbringer der deutschen Wirtschaftsflaute hochgejubelt hatte. Neues Vertrauen gilt es daher dem Neuen Markt zu verschaffen. Noch vor wenigen Wochen tönte es aus der Börsenwelt, der Neue Markt habe eine neue Chance verdient, da nunmehr der Boden der Aktientalfahrt erreicht sei. Nun ist Kosmetik angesagt. Damit begibt sich die Börse auf das Niveau der Bundesregierung. Negative Fakten sollen durch positive Fassaden übertüncht werden.


 
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