© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/02 20. September 2002

 
Alte Feindschaften: Die "Toten Hosen" reden nicht mit den "Böhsen Onkelz"
Hauptsache gegen Rechts
Claus-M. Wolfschlag

Die Hardrock-Gruppe Böhse Onkelz bemüht sich nun schon über zehn Jahre, ihr ehemals "rechtes" Image abzustreifen. Doch vor allem das latente Mißtrauen der linken Konkurrenzband Die toten Hosen zehrt an den Nerven. Die Feindschaft zwischen beiden Bands entstand kurz nachdem Die Ärzte 1993 ihr Anti-"Nazi"-Lied "Schrei nach Liebe" veröffentlichten. In dem Song existiert eine Zeile, die "zwischen Störkraft und den Onkelz" lautet. Die 1980 gegründete Band Böhse Onkelz war wütend wegen dieser Anspielung auf ihre "Skinhead"-Vergangenheit in den frühen Achtzigern, von der man sich im Zuge der Etablierung schnell loszusagen versucht hatte. Die Gründe für damalige ausländerfeindliche Lieder erklärte Sänger Stephan Weidner später wie folgt: "Die Texte waren eine Dummheit, aber damals eine Reaktion auf unsere Straßenerfahrung. Wir sind damals fast täglich mit türkischen Jugendgangs in Schlägereien verwickelt worden." Im Popkultur-Betrieb ist "rechte Gesinnung" ein Ausschlußgrund. Um dieses karrieretechnisch negative Image ab Anfang der neunziger Jahre zu verändern, engagierte man sich fortan für Greenpeace und Gewerkschaften, spielte auf einem "Rock-gegen-Rechts"- Konzert. Die Onkelz schalteten Anzeigen in deutschen Publikationen, in denen sie sich gegen rechten Terror, Rassismus, Gewalt gegen Ausländer und Intoleranz stark machten. So waren sie erbost, als sie von den Ärzten 1993 immer noch als "rechtsradikal" eingeordnet wurden, aber sahen von einer Antwort ab.

Als einige Zeit später die Toten Hosen in einem Radiointerview die "Onkelz" ebenfalls als "rechtsradikal" darstellten, schrieben die Onkelz das Lied "Ihr sollt den Tag nicht vor den Abend loben". Im Refrain dieses Liedes gibt es die Zeile "Opium fürs Volk Scheiße für die Massen". "Opium fürs Volk" heißt die 1996 veröffentlichte CD der Toten Hosen. Nun spielten es die "Onkelz" bei jedem Konzert, und nach diesem Lied sangen die Fans "scheiß Tote Hosen, wir singen scheiß Tote Hosen..." Tote Hosen-Sänger "Campino" konterte 1998 mit einem Interview, in dem er den "Onkelz" mangelndes Niveau, unvereinbare Ideologie und "Landser- Heftchen-Lyrik" vorwarf.

In der diesjährigen Mai-Ausgabe hatte nun die Redaktion der Musikzeitschrift Rock Hard versucht, die Sprachrohre der Böhsen Onkelz und der Toten Hosen, Stephan Weidner und Andreas Fege (Campino), zur Klärung ihrer langjährigen Feindschaft für ein Versöhnungstreffen an einen Tisch zu bringen.

Weidner antwortete auf die Anfrage des Rock Hard-Leiter Götz Kühnemund bereits nach wenigen Tagen: "Mir persönlich ist es mittlerweile scheißegal, was die Hosen oder was Campino über uns oder mich denkt, und ich habe auch kein Interesse, mich mit Campino an einen Tisch zu setzen. Ich denke da an die vielen unüberlegten Statements, die Campino so in den letzten zehn Jahren über uns in der Öffentlichkeit gemacht hat. Ich kann Dir den ganzen Schrott gerne mal raussuchen lassen. (...) Ich werde aber, was dieses ominöse 'Gipfeltreffen' angeht, nicht kneifen - nicht weil Du, Götz, dazu aufrufst, sondern weil ich das ganz gelassen auf mich zukommen lassen kann. Und weil ich jetzt schon weiß, daß Campino gar nicht kommen kann. Im Handumdrehen würde ich sein ganzes Onkelzkonstrukt, seine Argumentation, seine Gerüchte, Lügen und Halbwahrheiten auseinandernehmen."

Weidner scheint seine rebellischen Pappenheimer zu kennen, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit Lobgesänge auf "Antifa" und "Zivilcourage" anstimmen, aber zu Diskurs und selbstkritischer Klärung der von ihnen erhobenen Vorwürfe nicht imstande sind. Und so ließ sich Campino mehrere Wochen Zeit, um zu seiner vorhersehbaren Antwort zu gelangen: "Ich kann dazu nur sagen: Scheiß drauf! Wenn Notwendigkeit vorhanden wäre, wenn es einen wirklich akuten Grund gäbe, sich zu besprechen oder zu unterhalten, würde ich jederzeit über meinen Schatten springen. Auf einer gesellige Runde mit bierseligem Ende und einem kumpelhaften 'Wir haben das ja alles gar nicht so gemeint'-Ausklang habe ich keinen Bock. (...) Hauptsache ist doch, daß jeder das tut, was er kann gegen Rechtsaußen. Alles andere ist egal."

Götz Kühnemund von Rock Hard zeigte sich enttäuscht und antwortete auf Campinos Absage: "Zu Dir, Campino. Deine Reaktion finde ich einfach nur unsouverän und feige. (...) Dir ist doch sonst jeder Anlaß, von Raab bis Gottschalk, recht, um Dich zu produzieren - auch ohne konkrete 'Notsituation'. Wie kann man nur so starrköpfig und verbohrt sein?"

Trotz aller Beteuerungen, sich ebenfalls vom "rechten Rand" distanzieren zu wollen, sind die Böhsen Onkelz also für viele linksgerichtete Kreise offenbar immer noch ein rotes Tuch. Die "antifaschistische" Zeitschrift blick nach rechts, die sich in der Regel immer über die Opfer "antifaschistisch" motivierter Gewalt in Schweigen hüllt, konnte es sich deshalb in ihrer Ausgabe 13/2002 nicht verkneifen, scheinheilig über einen nach einem Onkelz-Konzert schwerverletzten 17-jährigen NPD-
Aktivisten zu berichten. "Rechter Wahlkämpfer brutal mißhandelt" prangte die Überschrift des Artikels eines Benny Bender, und mancher Leser mag noch an Erkenntnisprozesse geglaubt haben. Doch bald wurde man belehrt, daß es nur um eine vor Doppelmoral triefende mediale Schuldzuweisung an die "Böhsen Onkelz" ging, da diese "noch immer für viele Jugendliche eine Art Einstiegsdroge auf dem Weg nach Rechtsaußen" seien. Nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft soll der mißhandelte NPD-Anhänger auf dem Konzertareal in Mannheim von vier Secu-rity-Leuten beim Sammeln von Unterschriften für die Bundestagswahl ertappt und hinter die Bühne gebracht worden sein. Dort hätten nach seinen polizeilich festgehaltenen Aussagen die Gruppe und andere Personen gewartet. "Onkelz"- Sänger Kevin Russel hätte den 17-jährigen dann mit einem Gummiknüppel angegangen, ihn am Hinterkopf und Rücken mit Silberfarbe eingesprüht. Schließlich habe der NPD-Mann nach dem Martyrium seine Unterschriftenliste aufessen müssen. Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung und Nötigung auf.

Im Weltnetz-Tourtagebuch auf der Netzseite der Onkelz hieß es nach bnr-Angaben, der "junge Nazi" habe "es später sehr bereut, daß er überhaupt in die Nähe der Halle gekommen ist." Weiter hieß es: "Armes Schwein - der kommt nie wieder zu einem Onkelz-Konzert. Hart aber gerecht, mehr gibt es dazu nicht zu sagen." Tragisch für die Onkelz, niemandem können sie es recht machen. Nach einem 15-jährigen Abschied aus der "Nazi-Szene" können ihnen die "antifaschistischen" Kritiker den popkulturellen Karriereschub immer noch nicht verzeihen, und wittern stets reaktionäre Grundsubstanz.

Wenn sich die Onkelz aber doch auch einmal entschieden "von Rechts" zu distanzieren versuchen, ihre Beteiligung am "Aufstand der Anständigen" gar übereifrig unter Beweis stellen möchten, ernten sie wieder nur verlo-gen-vorwurfsvoll wirkende Anklageartikel aus dem blick nach rechts. Und Campino möchte immer noch nicht mit den "Schmuddelkindern" reden.


 
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