© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/02 13. September 2002

 
Kolumne
Innerer Feind
Hans-Helmuth Knütter

Manchmal kann einem der Verfassungsschutz fast leid tun. Da kämpft er unter Einsatz aller Spitzel gegen "Rechts", und nichts als Undank ist der Lohn. Undank von denen, die er doch vor der das deutsche Ansehen so gräßlich bedrohenden rechten Gefahr schützen soll. Ausgerechnet die werfen ihm vor, durch die Besoldung der Spitzel die rechte Bewegung zu finanzieren. Der Geheimdienst soll Nachrichten beschaffen, aber die Funktionäre, die etwas wissen, soll er nicht anheuern.

Gibt es ein Restgefühl für Anstand, das jenes spitzelhafte Tun als moralisch minderwertig empfinden läßt? Scheinbar ist das Vertrauen in die Geheimdienste schwer erschüttert. Aber man möge sich nicht täuschen. Aus allen zahlreichen Pleiten und Pannen der Vergangenheit sind sie gestärkt hervorgegangen. Vor fast 50 Jahren, am 21. Juli 1954 erlebte der Verfassungsschutz einen Schlag, von dem manche sein Ende erwarteten. Der oberste Chef, Otto John, verschwand und tauchte in Ost-Berlin wieder auf, wo er antifaschistische Sprüche über den neofaschistischen Charakter des Adenauer-Regimes absonderte. Diese Erschütterung überlebte der Geheimdienst wider Erwarten glänzend. Seine Organisation wurde verbessert und gestrafft. Trotzdem versagte er bei der Abwehr der Stasi-Infiltration genauso, wie die anderen westlichen Geheimdienste bei der Früherkenntnis des Terrorismus. Mit der Begründung, das Versagen liege nur an mangelhafter Unterstützung, konnten sie aus der Blamage aber wiederum Nutzen ziehen. Das gilt auch für die Pleiten und Pannen beim NPD-Verbotsverfahren. In Nordrhein-Westfalen wird derzeit ein Gesetz vorbereitet, das der dortigen, besonders häufig negativ aufgefallenen Verfassungsschutzbehörde neue Vollmachten einräumen soll. Niemand möge sich täuschen: weltweit, aber auch in Deutschland, wächst die Tendenz zum Abbau der Freiheitsrechte und zur Verstärkung von Gesinnungskontrolle und Repression.

Die Etablierten versuchen, die Repression mit politischen Gefahren zu rechtfertigen. Gegenwärtig ist es der "Islamismus", daneben sind es die "Rechten" (nicht etwa die Rechtsextremen!), davor die Sekten, nebenbei auch mal die Kampfhunde und ganz früher - schon vergessen? - die Linken. Alle guten Bürger halten das für zustimmenswert, denn schließlich geht es doch um Ruhe, Recht und Ordnung. Aber daß ganz nebenbei die Meinungs-, Versammlungs-, Wissenschafts- und Gewissensfreiheit auf der Strecke bleiben, merkt man erst, wenn es zu spät ist. Denkt nach und paßt bloß auf!

 

Prof. Dr. Hans-Helmuth Knütter lehrte Politikwissenschaften an der Universität Bonn.


 
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