© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/02 13. September 2002

 
Dunkelrot am Horizont
Potsdam: Bei der Bürgermeisterwahl ist ein PDS-Sieg in Sicht
Steffen Königer

Es ist nicht so einfach für Matthias Platzeck (SPD), nun Ministerpräsident Brandenburgs, in der alten Preußenstadt Potsdam einen Nachfolger als Oberbürgermeister zu finden - zeitgleich zur Bundestagswahl am 22. September. Platzeck wurde1998 für den wegen Korruption und Filzverdacht geschaßten Horst Gramlich (SPD) ins Amt gewählt.

Der nun amtierende Oberbürgermeister Jann Jacobs (SPD) hat jedoch kaum Chancen, Platzecks Nachfolge anzutreten. Der 49jährige kann sich schon wegen seines Wohnortes (bis vor wenigen Tagen noch Berlin-Spandau) und seiner Herkunft (kommt aus den alten Bundesländern) nicht gegen seine Konkurrenz durchsetzen. Jacobs will die Politik Platzecks fortsetzen, wozu auch die Wiederherstellung der historischen Stadtmitte mit Schloß, Garnisonkirche und Stadtkanal zählt.

Gegen einen Erfolg im ersten Wahlgang spricht vor allem die Popularität des 48jährigen PDS-Kandidaten Hans-Jürgen Scharfenberg. Dem gebürtigen Sachsen, der bereits 1982 in Potsdam im "Staatsrecht kapitalistischer Staaten" promovierte, werden bei nichtrepräsentativen Umfragen der Märkischen Allgemeinen Werte jenseits von 60 Prozent vorrausgesagt. Scharfenberg ist seit 1991 Mitarbeiter der PDS-Fraktion im Landtag Brandenburgs und seit 1990 Stadtverordneter. Er läßt sich trotz der Gegnerschaft seiner Genossen zum barocken Bauprogramm Hintertürchen offen, hält die Wiederbelebung des historischen Stadtzentrums für ein wichtiges Vorhaben, "mit dem die Identifikation der Potsdamer mit ihrer Stadt gestärkt werden kann". Jedoch solle man eine Brücke zwischen der Vergangenheit und der Zukunft der Stadt schlagen. Der ehemalige Parteisekretär der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften der DDR hebt sogar hervor, daß seine Partei die einzige gewesen sei, die Anfang der Neunziger gegen den Abriß des Betonklotzes protestierte, der einmal ein Theater werden sollte - dieser stand genau auf den Fundamenten des Stadtschlosses.

Die CDU hat mit ihrem Kandidaten, dem 45jährigen Landtagsabgeordneten Wieland Niekisch, allenfalls Chancen, in die Stichwahl zu kommen. Niekisch, der Mitte der Achtziger in den Westen ausreiste, ist für eine historische Innenstadt, die er als "Schlüsselprojekt der Stadtentwicklung" bezeichnet. Sehr blaß bleibt der Kandidat der Liberalen, Stefan Bauer, der außer einer Ablehnung der historischen Altstadt noch eine lupenreine Karriere als Jurist in den alten Bundesländern zu bieten hat. Damit wird der 43jährige Neu-Potsdamer ebensowenig mit dem Ausgang der Wahl zu tun haben wie Peter Schüler, der als Kandidat von Bündnis 90/ Die Grünen antritt.

Ein müdes Lächeln - dafür einiges an Zuspruch in der Hausbesetzerszene Potsdams - wird der ehemalige Kandidat der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär, Falk Richter (Die Andere) erhalten. Der 34jährige, über den kaum mehr zu erfahren ist, als daß er in West-Berlin geboren wurde, 1991 nach Potsdam "rübergemacht" ist und Slawistik studiert, möchte in einer Art Spaßkandidatur mit Seitenscheitel und Schnauzbart alles in Potsdam wiederherstellen. Mit Paraden und Flötenkonzerten. Bei einem der letzten Wahlauftritte latschte er über die Fahne der Landeshauptstadt, begleitet von einigen "Leibwächtern".


 
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