© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/02 13. September 2002

 
FDP protestiert gegen Verfassungsschutz
NRW: Zwischenbericht des Verfassungsschutzes vorgestellt / Neben der JF sind jetzt auch Möllemann, die FDP und Jamal Karsli im Visier
Hans-Peter Rissmann

Massive Vorwürfe hat der nordrhein-westfälische Innenminister Fritz Behrens anläßlich der Vorstellung des Zwischenberichtes 2002 des NRW-Verfassungsschutzes gegen die FDP gerichtet. Behrens (53) warf dem FDP-Landesvorsitzenden Jürgen W. Möllemann vor, durch den sogenannten "Antisemitismus-Streit" im Frühjahr eine "Steilvorlage" für Rechtsextremisten geliefert zu haben.

Auslöser war im Mai dieses Jahres die Aufnahme des aus der grünen Landtagsfraktion ausgeschiedenen Abgeordneten und Deutsch-Syrers Jamal Karsli gewesen. Karsli erregte mit massiver Kritik an der Politik des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon Aufsehen, dem er "Nazi-Methoden" vorgeworfen hatte. Hauptauslöser des "Antisemitismus-Streites" war aber ein Interview Karslis mit der JUNGEN FREIHEIT (JF 19/02), in dem er den Begriff "Nazi-Methoden" zurücknahm, aber seine Kritik an Scharon konkretisierte und Vermutungen über den Einfluß einer weltweiten "zionistischen Lobby" anstellte.

Behrens erklärte nun gegenüber der Presse wörtlich: "Der Streit zwischen dem NRW-Landesvorsitzenden der FDP und dem Zentralrat der Juden in Deutschland hat nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes zu einer Welle von Beifallsbekundungen von Rechtsextremisten geführt." Behrens zitiert "Beifall" von seiten der NPD, der Deutschen Volksunion (DVU) und den Republikanern. So begrüße laut Behrens die NPD nachdrücklich die "Tabubrüche des Herrn Möllemann". Behrens warnend an die Adresse der FDP: Der Verfassungsschutz sehe mit Sorge, "daß Parteien wie die NPD oder die Republikaner solche Steilvorlagen begierig aufnehmen und sich den Wählerinnen und Wählern damit für die Bundestagswahl als Alternative anbieten. Das dürfen Demokraten nicht dulden."

Mit Empörung hat die NRW-FDP auf die Tatsache reagiert, daß sie und ihr Vorsitzender im Verfassungsschutzbericht erwähnt sind. Der stellvertretende FDP-Fraktionschef Stefan Grüll bezeichnete es als "ungeheuerlichen Versuch, den Verfassungsschutz im Wahlkampf zu instrumentalisieren. Die Äußerungen des Innenministers Behrens seien "töricht und kommen einer politischen Brunnenvergiftung gleich", so Grüll. Vor dem Hintergrund der Tatsache, daß Behrens Partei, die SPD, in mehreren Bundesländern mit der PDS koaliere, die PDS aber gleichzeitig in NRW überwacht werde, seien die Äußerungen des Ministers "durchsichtiges Wahlkampfgetöse".

Innenminister beklagt Solidaritätskampagne der JF

Im Zwischenbericht des Verfassungsschutzes werden erneut auch Vorwürfe gegen die JUNGE FREIHEIT publiziert. An erster Stelle beklagt sich aber das Innenministerium über die erfolgreiche Solidaritätskampagne der JF. So steht im Bericht wörtlich: "In mehreren Wellen hat die Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT im ersten Halbjahr 2002 versucht, Leser, Sympathisanten und prominente Persönlichkeiten für eine Kampagne gegen den NRW-Verfassungsschutz zu mobilisieren. Sie startete eine umfängliche Kampagne gegen den NRW-Verfassungsschutz, in der sie ihre Leser aufforderte einen 'Appell für die Pressefreiheit. Gegen die Verletzung demokratischer Grundrechte durch den NRW-Verfassungsschutz' zu unterzeichnen.

Der Appell mit den Namen der Unterzeichner erschien als Anzeige auch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und in der Süddeutschen Zeitung. Im Text des Appells behauptet die JF unter Hinweis auf die eingereichte Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des VG Düsseldorf vom 14. Februar 1997 (1 K 9318/96) und den Beschluß des OVG NRW vom 22. Mai 2001 (5 A 2055/97): Der schwerwiegende Vorwurf der 'tatsächlichen Anhaltspunkte für den Verdacht auf rechtsextremistische Bestrebungen' gegen eine auf dem Boden des Grundgesetzes stehende Zeitung stellt eine Verletzung demokratischer Grundrechte dar. Die durch eine staatliche Behörde erhobenen Vorwürfe setzen eine politisch unbequeme Wochenzeitung unter massiven Druck.

Bei der Kampagne handelt es sich um den Versuch, die Identifikation der Leser mit der Zeitung zu stärken und die kritische Auseinandersetzung des NRW-Verfassungsschutzes mit den in der JF vertretenen Positionen zu erschweren.

Nach ihrem Scheitern im Verwaltungsstreitverfahren gegen das Land Nordrhein-Westfalen, in dem die Bewertung der JUNGEN FREIHEIT durch den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz bestätigt wurde, versucht die JF nun mit der unzutreffenden Behauptung, ihr Grundrecht auf Pressefreiheit werde verletzt, Unterstützer auch im demokratischen Spektrum zu gewinnen.

Tatsächlich jedoch hatten das Verwaltungsgericht Düsseldorf und das Oberverwaltungsgericht festgestellt, daß durch die Maßnahmen des NRW-Verfassungsschutzes weder die Meinungs- noch die Pressefreiheit verletzt werden."

Es fällt dem nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz augenscheinlich schwerer, "tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht auf rechtsextremistische Bestrebungen" bei der JF ausfindig zu machen. So soll sich die JF längst aufgeklärte, angeblich umstrittene Äußerungen des Bonner Politikwissenschaftlers Hans-Helmuth Knütter zurechnen lassen, die dieser aber überhaupt nicht in der JF veröffentlicht hat.

Als zweiter Fall wird der JF vorgehalten, durch das Interview mit dem Ex-Grünen Jamal Karsli die Antisemitismus-Debatte "entfacht" zu haben. Drittens erhält die JF demokratische Minuspunkte, weil sie eine Abo-Werbung in dem angeblich "rechtsextremistischen Theorieorgan" Nation & Europa geschaltet habe.


 
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