© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/02 13. September 2002


Europäische Illusion
von Ivan Denes

Per Stig Møller, dänischer und derzeit auch EU-Außenminister, hielt es für seine Pflicht, mit einer weiteren "EU-Friedensinitiative" nach Jerusalem und Ramallah zu reisen, wo er erwartungsgemäß abgeblitzt ist. Der palästinensische Chefunterhändler, Saeb Erekat, erklärte vor seiner Unterredung mit dem konservativen Politiker, die Palästinenser brauchten keine neue Initiative, zumal die Israelis abgeschlossene Verträge sowieso nicht umsetzten. Premier Ariel Scharon erklärte, die EU-Vorschläge seien "unrealistisch".

Die EU-Außenminister, die in Helsingør den Plan zuvor abgesegnet hatten, erfüllten ein Ritual, das eher zur Dauerillusion der außenpolitischen Bedeutung der Union dient, als zur Regelung des israelisch-palästinensischen Konfliktes. Die EU ist wegen ihrer militärischen Impotenz nicht als Ordnungsmacht in nahen oder gar entlegenen Regionen berufen. Besonders nicht zu einem Zeitpunkt, wo die Mehrheit ihrer Mitglieder versucht, die bevorstehende amerikanisch-britische Intervention zum Sturz von Saddam Hussein zu verhindern. Die EU-Mehrheit verdrängt sowohl die regionalen Zusammenhänge wie auch die Erinnerung an die 39 Scud-Raketen, die Irak 1991 gegen Israel abgefeuert hatte - und den folgenden palästinensischen Jubel. Chancen für eine Friedensinitiative werden sich erst im Zuge der politischen Neuordnung des Mittleren Ostens ergeben, die sich unter Schirmherrschaft der USA, der einzigen Ordnungsmacht der Welt, vollziehen wird - ohne die Zustimmung der EU.


 
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