© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/02 06. September 2002

 
Der Westen muß sich wehren
Kampf der Kulturen: Die italienische Autorin Oriana Fallaci hat sich eine wüste Haßtirade gegen den Islam von der Seele geschrieben
Michael Wiesberg

Der griechische Begriff Metanoia ("Sinnesänderung") ist ein Schlüsselbegriff des Neuen Testaments. Er steht für die Buße im religiös-sittlichen Sinn und ist ein Grundbegriff der christlichen Lebensgestaltung. Nichts anderes als eine Sinnesänderung fordert auch die todkranke italienische Schriftstellerin und frühere Kriegsreporterin Oriana Fallaci (72) in ihrem in Italien und Frankreich heftig umstrittenen Buch "Die Wut und der Stolz", das jetzt auch in deutscher Sprache erhältlich ist. Es ist ein militantes Pamphlet, das mehr als eine Streitschrift darstellt. Denn "Die Wut und der Stolz" ist eine Kriegserklärung. Eine Kriegserklärung an die islamische Welt bzw., wie sie es nennt, an die "Söhne Allahs". Aber auch eine Kriegserklärung an die westeuropäischen "Luxuszikaden", womit Fallaci "liberale" Politiker und Intellektuelle meint, die den in hellen Scharen einwandernden "Barbaren" aus den islamischen Staaten Europa auslieferten und damit verrieten.

Es verwundert deshalb nicht, daß gegen Fallaci schnell der Vorwurf des Rassismus erhoben worden ist. Nach der Veröffentlichung einer französischen Übersetzung durch den renommierten Verlag Plon hat der Streit um das Buch inzwischen die Gerichte in Paris erreicht. Zwei antirassistische Vereinigungen wollen die Verbreitung des Romans in Frankreich wegen Erregung von Haß gegen Muslime stoppen lassen (siehe den Beitrag unten auf dieser Seite).

Eine Kriegserklärung an die islamische Welt

In Deutschland lehnte es der Verleger des Verlages Kiepenheuer & Witsch, Reinhold Neven Dumont, ab, das Buch zu veröffentlichen. Danach wurde "Die Wut und der Stolz" von Michael Krüger, dem Chef der Verlagsgruppe Hanser, für den Paul Zsolnay Verlag erworben. Aber auch Paul Zsolnay nahm nach der Lektüre Abstand von dem Plan, das Buch in seinem Verlag zu veröffentlichen und trat von dem bereits geschlossenen Vertrag zurück. Schließlich erklärte sich der Münchner Verlag List bereit, das Buch in Deutschland zu veröffentlichen.

Auslöser für die Polemik Fallacis, die seit 1963 in New York lebt, war der 11. September 2001, der Tag, an dem die beiden Türme des Welthandelszentrums im New Yorker Stadtteil Manhattan in Schutt und Asche gelegt wurden. Fallaci macht keinen Hehl daraus, wie sie auf diesen Terrorakt reagierte: "... ich stürzte an die Schreibmaschine, so wie ein Soldat, der aus dem Schützengraben auftaucht und dem Feind entgegenstürmt." Herausgekommen ist eine wüste, erbarmungslose Attacke auf die "verfluchten Söhne Allahs": "Krieg habt ihr gewollt, Krieg wollt ihr? Einverstanden. Was mich betrifft, sollt ihr ihn haben. Bis zum letzten Atemzug."

Zu den Feinden zählt Fallaci nicht nur die Anhänger des Dschihads, des islamischen "Heiligen Krieges". Zielscheibe sind auch jene westlichen Intellektuellen, die nach dem Anschlag vom 11. September eine heimliche Genugtuung empfanden. Diese sagten: "'Wunderbar. Recht geschieht es ihnen, den Amerikanern.' Und ich bin wütend, sehr wütend. Ich spüre eine kalte, hellsichtige, rationale Wut. Eine Wut, die jeden Abstand, jede Nachsicht ausschließt, die mir befiehlt zu antworten und vor allem, auf diese Leute zu spucken. Ich spucke auf sie." Fallaci tritt mit der Sicherheit eines alttestamentarischen Propheten auf. Diese waren Eiferer für die Sache Jahwes. Sie traten mit dem Wissen auf, im Vollbesitz der Wahrheit zu sein. So auch die Fallaci, wenn sie feststellt: "Die Wahrheit liegt nicht notwendig in der Mitte. Manchmal ist sie ganz auf einer Seite." Eben auf ihrer Seite, auf der Seite Fallacis.

Diese an Furor grenzende Einseitigkeit war schon immer für Oriana Fal-laci kennzeichnend. Die Tochter eines von den Deutschen internierten und gefolterten italienischen Antifaschisten hat immer angeeckt. Mit der europäischen Linken verdarb sie es sich, als sie den Kommunisten und ihren Sympathisanten das Recht absprach, im Namen des Antifaschismus zu sprechen. Die westlichen Feministinnen brachte sie gegen sich auf, als sie erklärte, der müde Sofa-Chauvinismus der gezähmten Männer Westeuropas sei nicht so schlimm wie die Frauenfeindlichkeit der Islamisten.

Fallaci kritisiert das Europa der politischen Korrektheit

Die Washington Post bemerkte einmal zutreffend, daß Oriana Fallaci mehr sein wolle als eine brillante Reporterin. Sie wolle ein "Racheengel" sein. Genau auf dieser Linie liegt auch ihr neuestes Buch. So beispielsweise in folgender Passage: "J'accuse. Eine Anklage an die Italiener und die anderen Europäer, die mir vom Parkett, den Logen und den Rängen der Zeitung her zuhören und vielleicht ein Paar Blumen, gewiß aber etliche faule Eier in meine Richtung werfen würden." Dieser theatralische Pathos, an dem man sich stoßen mag, sollte freilich nicht den klaren Blick auf die zweifelsohne vorhandene Substanz ihres Sermons verstellen.

Ursprünglich, so erklärt die Autorin, sollte "Die Wut und der Stolz" ein "Brief über den Krieg" werden, doch "während ich schrieb, ist es nach und nach eine Predigt an die Italiener und allen anderen Europäer geworden". Eine Predigt, die unnachsichtig mit dem Europa der politischen Korrektheit und der intellektuellen Feigheit ins Gericht geht. Hier liegen denn auch die Stärken der Fallaci-Polemik. Den intellektuellen Multikulti-Schwärmern wirft Fallaci nicht mehr und nicht weniger als die Zerstörung der europäischen Zivilisation vor: "Diese fiktiven Revolutionäre, diese falschen Christen, die das Ende unserer Zivilisation vorbereiten. Diese Parasiten, die sich als Ideologen verkleidet haben, als Journalisten, Schriftsteller, Theologen, Schauspieler, Kommentatoren, Clowns, Edelhuren oder zirpende Grillen (...) sagen nur, was man von ihnen erwartet." Fallaci holt nun nach, was die Multikulti-Ideologen des Westens politisch-korrekt unterdrücken: "In Italien jedoch, in Europa, können sie (die Einwanderer, d.V.) kommen und gehen, wie sie wollen. Terroristen, Diebe, Vergewaltiger, ehemalige Sträflinge. Prostituierte, Bettler, Drogenhändler (...) Einmal angekommen, werden sie auf Kosten der Einheimischen untergebracht (...) Will heißen, auf Kosten der Steuerzahler."

Von den Tausenden von illegalen Einwanderern - insbesondere aus den islamischen Staaten - fühlt sich Fallaci beleidigt, weil sie sich "in meinem Land wie Herren aufführten". "Herren", die "ihr Florenz" schändeten, indem sie beispielsweise vor dem Uffizienpalast urinierten bzw. ein Zelt vor der Kathedrale San Salvatore el Vescovo aufschlugen, um auf diese Weise ein Bleiberecht zu erzwingen. Ein Bleiberecht, das ihnen letztlich zugestanden wurde. Zurück ließen diese Illegalen Unmengen von Unrat. Szenen, wie sie auch in Deutschland nur allzu bekannt sind.

Diese islamischen Zuwanderer bedrohen aus der Sicht von Fallaci die kulturelle Identität Italiens bzw. Europas: "Ich meine, daß unsere kulturelle Identität ... keine Immigrationswelle verkraften kann, mit der Menschen hereinströmen, die auf die eine oder andere Weise unsere Lebenswelt verändern wollen. Unsere Prinzipien, unserer Werte. Ich meine, daß bei uns kein Platz ist für Muezzins, Minarette, falsche Abstinenzler, den verfluchten Tschador und die noch verfluchtere Burkah. Und auch wenn welcher da wäre, würde ich ihnen diesen Menschen nicht geben." Diese Einwanderer dennoch nach Europa zu lassen, bedeute, "ihnen unser Vaterland zu schenken".

Diese werden freilich nicht nur nach Europa hineingelassen, sondern von den europäischen "Luxuszikaden" auch noch ermutigt, im Namen der Religionsfreiheit ihre Eroberungen in Form von Moscheen augenfällig zu machen. So entblödete sich eine deutsche "Luxuszikade", nämlich der Multikulti-Politologe Claus Leggewie aus Gießen, nicht, eine "Handreichung" mit dem Titel "Der Weg zur Moschee" (Herbert-Quandt-Stiftung, April 2002) mitherauszugeben. Diese wolle der Entwicklung Rechnung tragen, daß die "Anzahl der neuen Moscheen in Deutschland wohl beträchtlich steigen" werde. Hat einer wie Leggewie, der sich den Mohammedanern in Deutschland als trouble shooter andient, damit diese noch mehr und noch schneller Moscheen in Deutschland hochziehen können, einmal darüber nachgedacht, warum diese in Deutschland und anderswo immer mehr Moscheen fordern, während sie in ihren Herkunftsländern den Bau der kleinsten Kirche zu unterbinden trachten? Dieses willkürlich ausgewählte Beispiel zeigt, daß auch Deutschland einer Fallaci bedarf, die unsere Werte, unsere Kultur, kurz: unsere nationale Identität verteidigt.

Die "Luxuszikaden" - so Fallaci - hätten "an die Stelle der marxistischen Ideologie die Mode der politischen Korrektheit" gesetzt. Mittels dieser konnten sie eine neue Form von "intellektuellem Terrorismus" etablieren, indem sie sich nach "Gutdünken des Begriffs 'Rassismus' bemächtigen". Konsequenterweise greift Fallaci auch die Europäische Union an, der sie vorwirft, aus Europa ein Asyl für Terroristen gemacht zu haben: "Ein Club, der mehr als fünfzehn Millionen Söhnen Allahs Schutz gewährt und Gott weiß wie vielen Terroristen oder Terroristenanwärtern oder zukünftigen Terroristen. Ein Club, der mit den arabischen Ländern ins Bett steigt wie eine Hure und der sich die Taschen mit deren vergifteten Petrodollars vollstopft." Zweifelsohne schrille Töne in den Ohren der Politisch-Korrekten.

Europas kulturelle Identität ist durch Zuwanderer bedroht

Mit scharfen Worten geißelt Fallaci die kulturnihilistische "Demagogie" der "Luxuszikaden", die "im Namen der Gleichheit Leistung und Erfolg, Werte und Wettbewerb" negierten, "die eine Mozart-Symphonie und eine Monstrosität namens Rap oder einen Renaissancepalast und ein Zelt in der Wüste auf ein und derselben Ebene" ansiedelten. Spätestens hier zeigt sich aber, daß Fallaci auf einem Auge blind ist. Denn nicht nur die schleichende Islamisierung bedroht Europa, sondern auch die Amerikanisierung, dessen hervorragendstes Merkmal der kulturelle Nihilismus ist. So charakterisierte zum Beispiel der französische Publizist Claude Karnoouh die Ideologie der "One World" in seinem 1993 erschienenen Buch, das den bezeichnenden Titel "Adieu à la différence" trägt, wie folgt: "Abschaffung der Verschiedenheiten ... Hypertrophie des Diskurses über das Gedächtnis und die Wurzeln in einer Welt, in der die Vergangenheit nur politisch aufgearbeitet wird für die Gegenwart, ... in einer Welt der Entwurzelung durch den verallgemeinerten Nihilismus, wo ... die weltumspannende Wirtschaft ... und der stetige Wandel uneingeschränkt vorherrschen."

Von derartigen Erwägungen ist bei Fallaci, die von den Staaten Europas die Verteidigung ihrer nationalen Identität fordert, nichts zu lesen. Europa ist heute von den Gesetzen der totalen Ökonomie ("Globalisierung" genannt), von einer Hypertrophierung des Wirtschaftlichen bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Eine Renaissance der nationalen Identität der europäischen Staaten wird es nur dann geben können, wenn sich die fast-foodisierten Europäer nicht nur gegen den Islam wehren, sondern gleichzeitig auch entamerikanisieren.

Der Kulturkampf gegen den Islam, zu dem Fallaci die Europäer aufruft, wäre also auch auf den American Way of Life hin zu erweitern. Nur wenn diese - neben der Abweisung der Überfremdung durch islamische Zuwanderer - ihr geistiges Yankeetum überwinden, das ihre Sitten und Gebräuche inzwischen charakterisiert, wird Europa eine Zukunft haben.

 

Oriana Fallaci: Die Wut und der Stolz. Paul List Verlag; München 2002, 194 Seiten, geb., 18 Euro


 
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