© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/02 06. September 2002

 
WIRTSCHAFT
Feigheit vor der Sozialversicherung
Bernd-Thomas Ramb

Seit Jahren wird von Wirtschaftswissenschaftlern wie ei-nigen ehrlichen Wirtschaftspolitikern davor gewarnt, die Abgaben für die staatlich erzwungenen Sozialversicherungen würden in untragbare Höhen wuchern. In der Tat lag die durchschnittliche Relation von Nettolohn zu Arbeitnehmerentgelt, also dem Bruttolohn plus Arbeitgeberzuschüssen zur Sozialversicherung, vor zehn Jahren bei 57 Prozent, im letzten Jahr dagegen bei 53 Prozent. Dabei sind die versteckten Lohnnebenkosten, die der Unternehmer durch Krankheit oder Schwangerschaft des Arbeitnehmers oder durch kostspielige Betriebsvorschriften des Staates zu tragen hat, noch nicht eingerechnet. Nach jüngsten Schätzungen wird die Relation von Nettolohn zu Arbeitnehmerentgelt demnächst die 50-Prozent-Marke unterschreiten.

Damit wird mehr als die Hälfte des erarbeiteten Lohneinkommens nicht durch den Arbeitnehmer, sondern durch staatliche Institutionen ausgegeben. Ebenfalls unberücksichtigt bleibt, daß selbst von den verbliebenen Ausgabemöglichkeiten der Arbeitnehmer noch einen erklecklichen Teil an Steuern zu zahlen hat, allen voran die Mehrwertsteuer.

Der sozialdemokratische Altkanzler Schmidt hat in der Vergangenheit einen Staatsanteil am Volkseinkommen von mehr als 50 Prozent als Sozialismus bezeichnet. Dem jetzigen Bundeskanzler scheint dieses Zitat unbekannt zu sein. Sicher lassen sich die Belastungssätze der Sozialversicherungen nicht von heute auf morgen drastisch senken - vor allem nicht durch Alimentation über Ökosteuereinnahmen. Langfristig ist es durch mutige Reformschritte jedoch erreichbar. Aber welcher Politiker traut sich noch, langfristig und vor allem mutig zu denken und zu handeln.


 
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