© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/02 06. September 2002

 
Werner Herzog
Fitzcarraldo des Films
von Konrad Pfinke

"Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein", in diesem deutsch-russischen Monumentalfilm war der berühmte Filmemacher Werner Herzog, der in dieser Woche seinen 60. Geburtstag feiert, ausnahmsweise einmal vor der Kamera zu sehen. Den Allmachtsanspruch dieses Extremisten unter den deutschen Regisseuren legt dieser Filmtitel nahe.

Damit wurde er berühmt: mit der Hybris seiner Figuren, die in Klaus Kinski den perfekten Protagonisten fanden. Herzogs Helden wandeln allesamt am Rande des Äußersten. Berühmt wurde die typischste aller Herzog-Szenen: wenn der von der Oper besessene Fitzcarraldo ein riesiges Schiff durch den Urwald transportiert, um einen Berg zu übersteigen. Daß der Film einige Menschenleben kostete, machte selbst den Extremisten Werner Herzog nachdenklich. Daß er mit dem schwer neurotischen, aber genialischen Mimen Kinski die Idealbesetzung seines Lebens fand, dürfte für den sensiblen, aber durchsetzungsfähigen Herzog kein Zufall gewesen sein. Sein posthumes Porträt "Mein liebster Feind" (1999) geriet denn auch zu einer von Haßliebe erfüllten Hommage an den verwandten Geist.

Werner Herzog wurde am 5. September 1942 in München geboren. Nach dem Abitur begann er ein Studium der Geschichte, Literatur- und Theaterwissenschaften, bevor er erste Kurzfilme veröffentlichte, die er zunächst als Akkordarbeiter in der Stahlindustrie finanzierte. Seinen ersten Bundesfilmpreis erhielt er im Jahre 1968 für "Lebenszeichen". Bekannt wurde er mit Filmen wie "Auch Zwerge haben klein angefangen" (1969), "Land des Schweigens und der Dunkelheit" (1971), "Aguirre, der Zorn Gottes" (1972), - allesamt Studien über Außenseiter: obszöne Zwerge, Taubblinde, scheiternde Conquistadores. Als er 1974 einen Fußmarsch nach Paris unternahm, um die kranke Filmhistorikerin Lotte H. Eisner zu besuchen, konnte er sich wie eine seiner Filmfiguren fühlen. Schließlich nannte er als Motive seiner Arbeit die Suche nach "neuen Bildern und das Vorwärtstasten nach neuen Einsichten über uns selbst". "Stroszek" (1976), "Nosferatu"(1978) und "Woyzeck" (1979) erweiterten das exzentrische Personal der Herzog-Welt. Mit "Schrei aus Stein" (1991) setzte Herzog einen vorläufigen Schlußpunkt unter den inzwischen klassisch gewordenen "Neuen Deutschen Film", zu dessen originellsten Vertretern er gehörte.

1985 begann Herzog, Opern zu inszenieren. Kein Zufall, daß seine erste Arbeit Ferruccio Busonis Grenzüberschreiter "Doktor Faust" gewidmet war. 1987 folgte mit "Lohengrin" ein Gastspiel im Musiktempel von Bayreuth. 2002 widmete er sich auf den Domtreppen zu Erfurt einem weiteren populären Außenseiter der Opernbühne, dem "Fliegenden Holländer": als Weltraumdrama. Man darf gespannt sein, welche Räume sich der Visionär Werner Herzog noch erobern wird.


 
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