© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/02 30. August 2002

 
Blick in die Medien
Heldenepos
Ronald Gläser

Die Hochwasserkatastrophe stellt alles in den Schatten. Zwei neue Wortschöpfungen werden uns seit der Elbeflut erspart: Pisa und Hartz. Die Kommission, die wir mit dem letztgenannten Begriff verbinden, hat uns ohnehin nur gelangweilt. Schließlich verbinden wir damit nur den zähflüssigen Schleim, der aus Baumrinden tropft. Das Heldenepos, das sich in Mittel- und Norddeutschland abspielt, ist ganz nach dem Geschmack der Medien. Vor allem private Fernsehsender wie RTL II haben ja eine ganz neue Form von Dokumentationen und Shows geschaffen: das Reality-TV. Die Zuschauer fanden Gefallen daran, normalen Menschen endlos lang beim Betrinken oder beim Anbandeln zuzusehen. Dann kamen die Containerbewohner. Schließlich konterten andere Sender mit nachgestellten Gerichtsverhandlungen. Alles das wurde zu langweilig. Also ging RTL II dazu über, den "Megaman" zu produzieren, eine Art neuzeitlichen Gladiatorenkampf - moderiert von Axel Schulz. Jetzt aber bieten die Naturgewalten ganz reale Herausforderungen und mitleiderregende Schicksale. "Warum wollen Sie denn Ihren Bauernhof nicht verlassen?" fragt ein ZDF-Moderator eine Bäuerin in Mecklenburg. Die Antwort ist so kurz wie nachvollziehbar: "Weil das meine Existenz ist." Das hätte sich der Reporter doch auch selber denken können, oder? Statt dessen reagiert er verärgert auf die schroffe Haltung seiner Interviewpartnerin. Es scheint, als hätten die Fernsehmacher vergessen, daß dies die wirkliche Realität ist - und keine Show mit Happy End. 


 
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