© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/02 30. August 2002

 
Frisch gepreßt

Hermann Cohen. In "Lernbüchern", die Generationen von angehenden Studienräten für das im Staatsexamen zu erleidende "Philosophicum" trimmten, figuriert der Marburger Denker Hermann Cohen (1842-1918) als Gründervater des "Neukantianismus", jener Geistesströmung, die die Philosophie nach dem "Zusammenbruch" der idealistischen Metaphysik als "strenge Wissenschaft" reorganisiert habe. Ungeachtet dieser ihm - mit mehr oder minder Berechtigung - zugeschriebenen Bedeutung hat sich die Philosophiegeschichte erst in den letzten zwanzig Jahren intensiver mit Cohen beschäftigt. Seitdem gibt es jedoch kein Halten mehr. Die Cohen-Forschung ist binnen kurzem unüberschaubar geworden und verdiente selbst wieder eine rezeptionsgeschichtliche Untersuchung, die sich der Frage zuwenden müßte, warum gerade dieser Exponent der jüdisch-deutschen Kultursymbiose auf bundesdeutsche Philosophiehistoriker eine so starke Anziehungskraft ausübt. Im vorliegenden, von Wolfgang Marx und Erst W. Orth herausgegebenen Sammelband, der gespickt ist mit speziellen Arbeiten über Cohen und Fries usw., läßt sich der Beitrag Helmut Holzeys, des Züricher Altmeisters der Cohen-Forschung, über "Die Religion im System der Philosophie Cohens" als höchst instruktive Einführung in die zentrale Problematik eines schwer zugänglichen Werkes lesen (Hermann Cohen und die Erkenntnistheorie. Königshausen & Neumann, Würzburg 2001, 163 Seiten, 25 Euro).

Churchill. Noch während Churchill seine zweite Amtsperiode als Premierminister ableistete, schrieb der englische Offizier Russell Grenfell 1954 eine kritische Biographie des "großen Siegers" der Anti-Hitler-Koalition. Dabei wirft Grenfell, aktuell geprägt durch den Niedergang des British Empire und der wirtschaftlichen Rezession der Siegermacht, dem selbsternannten Soldier of Christ vor, im Sinne Englands die falsche Politik gegenüber Stalin, aber auch gegenüber Hitler betrieben zu haben, worauf man ihn insbesondere auch der deutschfreundlichen Darstellung wegen angriff (Churchill und die Deutschland-Politik. Lynx Verlag, Gauting 2002, 212 Seiten, 20 Euro).


 
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