© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/02 30. August 2002

 
CD: Klassik
Geben & nehmen
Walter Thomas Heyn

Der 1965 geborene Berliner Komponist C. René Hirschfeld ist ein Autor, der durch die jahrelange Zusammenarbeit mit der Sopranistin Grit Díaz de Arce, dem Klarinettisten Matthias Badczong und dem Pianisten Andreas Göbel in die Lage versetzt wird, punktgenau Stücke für "seine" Interpreten zu schreiben. Die vorliegende dritte CD ist betitelt "solitudes" und erschien in dem Label col legno ( www.col-legno.de  / Bestellnummer: WWE 1 CD 20058). Der Komponist schreibt dazu: "solitudes - Einsamkeiten - drei Werke, die nicht nur aufgrund ihrer solistischen Besetzung um dieses Thema kreisen." Die CD wird eingeleitet durch den "Chant of the Night" für Stimme (op. 37) nach ausgewählte Textpassagen aus Walt Whitmans "Grashalmen". Die Interpretin Grit Díaz de Arce bringt alle Facetten des schwierigen Stückes ausdrucksstark und mit viel Sinn für den Text und die Proportionen der Details zum Hören.

In "Makyo" (japanisch: durch tiefe Meditation hervorgerufene innere Bilder) bilden lange Töne, die zu Beginn einzeln in die Stille treten, eine Zwölftonreihe, die dann gemeinsam mit einigen rhythmischen Zellen als Variationsmaterial während des gesamten Zyklus ständig dem Fluß von Veränderungen unterworfen wird. Das "Solo für Bassklarinette" besticht durch die Konsequenz seiner Konstruktion, vor allem aber durch die souveräne Interpretation des jungen Matthias Badczong, eines Solisten der Extraklasse, dem mehr Aufmerksamkeit und ein großes Publikum zu wünschen ist.

Recital 1 (Kreuzberg records, Bestellnummer kr 10055) heißt die erste gemeinsame Produktion von Thea Nielsen (Flöte) und Markus Wenz (Klavier). Thea Nielsen konzertiert seit vielen Jahren als Solistin sowie in verschiedenen kammermusikalischen Besetzungen. Seit 1994 ist Markus Wenz ihr Partner am Klavier. Zusammen erarbeiten sie Programme mit wechselnden Schwerpunkten und haben sich der zu Unrecht selten gespielten Musikliteratur verschrieben.

Erwin Schulhoff (1894-1942), einer der Stars der Neuen Musik im Berlin der Zwischenkriegszeit verwendete als einer der ersten Komponisten Elemente des Jazz. Als Gegengift zum vorherrschenden romantischen Pathos seiner Zeit interessierte er sich für die Leichtigkeit und Frivolität der damals modernen Tanzmusik. Aber auch Volkstänze aus Osteuropa begeisterten den Komponisten und beides baute er in die 1927 entstandene Flötensonate ein. Die Entstehungsgeschichte der acht Liebeslieder (op. 83) von Antonin Dvorák reicht bis 1865 zurück. In diesem Jahr entstand der Liederzyklus "Zypressen", der lange Zeit ein unauffälliges Schubladen-Dasein fristete, bevor der dem Komponisten als Vorlage für zahlreiche Bearbeitungen diente.

Bohuslav Martin_ (1890-1959) war im Gegensatz zu Schulhoff mehr am Ausgleich zwischen modernen und klassischen Stilmitteln bemüht. Einen Großteil seines Lebens verbrachte er in Paris, wo er bei Roussel studierte. Angesichts der Entstehungszeit im Jahre 1945 mag die heitere Verspieltheit der Ersten Sonate erstaunen. Aber dem Komponisten war wichtig, daß seine Musik nicht die Katastrophen der Zeit widerspiegeln sollte, sondern dem Publikum Gefühle der Freude vermittelte.

Gemeinsam dokumentieren diese drei Werke knapp hundert Jahre tschechisch-deutscher Musikgeschichte in ihren Verbindungen wie in ihrer Andersartigkeit, ein beständiges Kompendium von Geben und Nehmen - kultureller Austausch auf höchstem Niveau und zum gegenseitigen Vorteil. Dem Interpretenduo Thea Nielsen und Markus Wenz ist für diese Produktion zu danken. Sie interpretieren die prägnante Kammermusik-Sammlung immer mit einem romantischen Aspekt, sind aber auch in den geschwinden Sätzen und in den lebhaften Tänzen ein souveränes Duo.


 
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