© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/02 30. August 2002

 
Einbürgern auf Teufel komm raus
Ausländerbericht: Marieluise Beck hält die Sprachtests in Bayern zur Einbürgerung für restriktiv
Kurt Zach

Das Zuwanderungsgesetz werde den Zustrom nach Deutschland steuern und begrenzen, so daß künftig unterm Strich weniger Ausländer kämen - sagt die Bundesregierung. Eine Werbebeilage in den regionalen Abo-Zeitungen sollte die offenkundig beruhigend gemeinte Botschaft vergangene Woche an 44 Millionen Bundesbürger bringen.

Stimmt nicht, widerlegt die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung die Schalmeientöne von Kanzler und Innenminister: Der Werbebrief betone einseitig die restriktiven Seiten des neuen Gesetzes, wetterte Marieluise Beck anläßlich der Vorstellung des fünften Berichts zur Lage der Ausländer in Deutschland.

Folgerichtig ist in dem dickleibigen Bericht von Zuwanderungsbeschränkungen recht wenig zu lesen. Statt dessen feiert Marieluise Beck den "integrationspolitischen Ruck", der seit dem rot-grünen Regierungsantritt durchs Land gegangen sei. Deutlichste Manifestation des "Rucks" ist für Beck der "Rekord an Einbürgerungen", den das neue Staatsangehörigkeitsrecht bewirkt habe. Alles in allem seien allein seit der Reform 480.000 Ausländer eingebürgert worden - diese Zahl habe man vorher allenfalls in einem Fünf-Jahres-Zeitraum erreicht. Rund 100.000 Kinder von Ausländern hätten seit der Gesetzesänderung automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen.

Über den tatsächlichen Stand von Integration sagt das freilich wenig. "Integration ist mehr als Sprachkurse", sagt Marieluise Beck an anderer Stelle; selbst diese scheinen ihr manchmal zuviel der Zumutung. "Betrübt" zeigt sie sich bei der Berichtsvorstellung jedenfalls über die "spitzfindige" Handhabung des neuen Staatsbürgerschaftsrechts in Bayern, wo den Kandidaten für den deutschen Paß, durchaus im Sinne des Gesetzes, immerhin ein Sprachtest abverlangt wird.

Der Gewinn liegt offenkundig vor allem im Ideologischen: Man habe sich vom "völkischen" Denken verabschiedet und sich dem "republikanischen" Ansatz genähert, "daß wer auf dem Boden eines Landes geboren ist, auch dessen Staatsbürger ist". So werde verhindert, daß viele junge Menschen "von politischen Rechten ausgeschlossen" würden.

Von Rechten und Ansprüchen ist in dem Bericht viel die Rede, weniger dagegen von Pflichten und Bringschulden. Beispielhaft für die schönfärberische und apologetische Tendenz des Beck-Papiers ist das Kapitel "Kriminalität", das - gegenüber knapp dreißig Seiten zum Thema "Rassismus, Ausländerfeindlichkeit, Diskriminierung" - in dem 445 Seiten starken Bericht gerade einmal drei Seiten einnimmt. Es wird heruntergerechnet, indem in bekannter Weise "spezifische" Straftaten wie Delikte gegen das Ausländerrecht einfach ausgeklammert, beschönigt, relativiert und sogar offen entschuldigtwerden: Daß Asylbewerber besonders häufig durch Ladendiebstahl, Leistungserschleichung und Urkundenfälschung auffielen, sei nun einmal Folge "ihrer spezifischen aufenthalts- und sozialrechtlichen Situation".

Durchgängig fordert Beck gerade in diesem Kapitel, nicht nach Deutschen und Ausländern, sondern allein nach sozialen Schichtungen in der Gesellschaft zu differenzieren. Der Mensch sei also das Produkt seiner sozialen Verhältnisse, und der Staat in der Pflicht, diese möglichst umfassend zu heben. Nicht der Integrationsunwille diverser Ausländergruppen ist das Thema, sondern der Ruf nach noch mehr staatlicher Fürsorge.

Der Beck-Bericht zeichnet die rot-grüne Ausländerpolitik als Erfolgsgeschichte und Kette verwirklichter Reformen, denen weitere folgen müßten. Am Anfang war die "Green Card" - sie habe erstmals seit dem Anwerbestop von 1973 wieder "offiziell" einen Bedarf für Arbeitseinwanderung formuliert. Für das grüne Lager bietet der Bericht mit der Aufzählung verwirklichter Projekte willkommene Wahlkampfmunition zur rechten Zeit. Ob das Wahlvolk die Erfolgsbilanz ebenso sieht? Grundsätzlicher Widerspruch aus etablierten Kreisen ist nicht zu erwarten - denn, sagt die Bremer Grünen-Politikerin ganz zu Recht: Die Debatte hat sich längst vom "Ob" zum "Wie" der Einwanderung verlagert.


 
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