© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/02 30. August 2002

 
Kasperletheater
Mehr Schaukampf als Duell: Schröder und Stoiber wurden ihren Rollen gerecht
Fritz Schenk

Ob es uns nun paßt oder nicht: In der Medien-(Spaß-)Gesellschaft findet das Wesentliche des Wahlkampfes längst im Fernsehen statt. Gerade jene, die ansonsten nicht müde werden, das "Nur keine amerikanischen Verhältnisse!" auszuposaunen, äffen, wenn sie sich davon öffentliche Wirkung versprechen, Amerika am konsequentesten nach. So hat denn nun nach längerem Gezerre - sowohl zwischen den Öffentlich-rechtlichen und den Privaten als auch zwischen ihnen und den Planern in den Wahlkampfzentralen - das erste "Duell" gemeinsam bei RTL und Sat1 stattgefunden und einen Spitzenwert an Zuschauerinteresse erreicht. Fünfzehn Millionen sollen es gewesen sein - wann und wo erreichen Politiker denn sonst so viele Zuschauer auf einen Schlag? Und um an die heranzukommen, lassen sie sich dann eben auch in ein enges Korsett pressen: Strenge Zeitvorgaben für die Antworten, Anrechnen von Zwischenrufen und Zwischenfragen auf die "Zeitkonten", alles ausgewogen und formal gerecht.

Und so standen denn die Matadore Schröder und Stoiber, wie wir das längst aus den USA kennen, an den Pulten, um ihre Antworten auf die Fragen von zwei Redakteuren zu geben. Das war keine Redeschlacht, sondern ein honoriger Austausch von Ansichten, Bewertungen und Meinungen und insofern durchaus informativ. Aber es hat auch niemanden, wie es der Volksmund sagt, "vom Hocker gerissen". Wenn es um das Ereignis nicht schon vorher einen solchen Dauerrummel gegeben hätte, wären die Einschaltquoten wahrscheinlich weitaus geringer gewesen.

Der Vorgang selber verdient eine personale und eine sachliche Bewertung. Was das Personale betrifft, hat Stoiber "gepunktet". Der Kanzlerkandidat der Union zeigte sich seiner Rolle als Herausforderer gewachsen. Konzentriert, mit klaren Formulierungen ohne die sonst oft bei ihm nervenden "äähs" und unnötigen Wiederholungen hat er seine Standpunkte deutlich gemacht. Schröder wiederum war anzumerken, daß er sich mit der Prozedur im Grundsätzlichen weniger anfreunden konnte als sein Kontrahent. Das wurde denn auch am Tag danach aus der SPD-"Kampa" bekannt, die für den nächsten Auftritt das Reglement ändern möchte. Das aber brächte das Arrangement ins Wanken - und einen Eklat möchte Schröder nun auch wieder nicht provozieren.

Deutlicher aber war Schröder anzumerken, daß er sich in diesem Wahlkampf in der Defensive befindet, und die Rolle des Verteidigers liegt ihm eben absolut nicht. Er wirkte eher kleinlaut, kleine Versprecher und Unkonzentriertheiten waren bei ihm häufiger als bei Stoiber. Auch daher dürfte der Unmut der "Kampa" rühren, denn Schröder könnte seine Schlagfertigkeit wohl besser ausspielen, wenn er dazwischenzureden, seinen Gegner zu stören und aus dem Konzept zu bringen versuchte.

Fazit: Da standen zwei Männer, denen man für die Kür, also für die Art ihres Auftritts, die gleichen Noten geben konnte.

Bleibt das Sachliche. Da ist zu bezweifeln, daß mit solchen Veranstaltungen noch Wesentliches an den Wahlabsichten der meisten Bürger zu korrigieren ist. Wer als kleiner Gewerkschaftsfunktionär von der Erweiterung des Betriebsverfassungsgesetzes profitiert und nun vielleicht einen festbezahlten Posten als Betriebsrat in seinem Unternehmen bekommen hat, wird die SPD auch dann wählen, wenn seine Firma pleite macht. Und die Auseinandersetzung zwischen den beiden Duellanten um eine mögliche "große" oder eben nur die "kleine" oder (wegen der Hochwasserkatastrophe) gar zunächst einmal ganz ausgesetzte nächste Stufe einer Steuerreform verstehen Laien ohnehin nicht.

Gewunden waren auch die Aussagen zur Außenpolitik, insbesondere zu einem möglichen Krieg gegen den Irak und unser Verhältnis zu den Amerikanern. Schröder nahm einiges von seinem kategorischen Nein zurück und wollte auch seinen "deutschen Weg" nicht mehr als Kehrtwendung gegenüber seiner bisherigen "uneingeschränkten Solidarität" zu den USA verstanden wissen. Bei dieser Darlegung fiel er wieder in seinen salbungsvollen, aber gerade deshalb unverbindlichen Tonfall zurück. Stoiber hingegen konnte auch nicht viel weiter gehen, als das vielzitierte Uno-Mandat zu beschwören - was aber geschieht, wenn die Amerikaner eben doch eigene Wege gehen und in Nahost die Fetzen fliegen, wurde nicht weiter angesprochen.

Eines ist dem Angreifer Stoiber gelungen: Er hat den Kanzler nicht aus seiner wesentlichsten Bredouille entkommen lassen, daß Schröder nämlich in den vier Jahren seiner Regierungszeit Deutschland nicht wirklich vorangebracht hat. Allein die mehr als vier Millionen Arbeitslosen, die Schröder auf mindestens dreieinhalb Millionen herunterbringen wollte - daß ihm dazu nicht mehr eingefallen ist, als in Torschlußpanik die Hartz-Kommission einzusetzen, deren Resultat nichts anderes als Vorschläge zur besseren Verwaltung der Arbeitslosigkeit sind, daß Deutschland mit knapp einem halben Prozent Wachstum nun Schlußlicht in Europa ist - alles das hat Schröder schlecht aussehen lassen.

Und das war es wohl, weshalb er bei diesem Duell nicht glänzen konnte. So ging diese Partie mit einem Patt aus. Das aber ist für einen Amtsinhaber schon fast eine Niederlage.

 

Fritz Schenk war von 1971 bis 1988 Co-Moderator, zuletzt Redaktionsleiter des ZDF-Magazins, danach bis zu seiner Pensionierung 1993 Chef vom Dienst der Chefredaktion des ZDF.


 
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