© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de   36/02 30. August 2002


Kampf um Medienmacht

Dank Leo Kirch kriegt die SPD vielleicht einen Fuß in die Tür des Springer-Konzerns
Richard Stoltz

Schon wieder Denver-Clan im deutschen Mediengewerbe. In wenigen Tagen entscheidet sich, ob die Essener WAZ-Gruppe vom insolventen Leo Kirch die vierzig Prozent Anteile an der Axel Springer AG erwirbt, die der WAZ eine Sperrminorität verschaffen würden und damit einen nicht unerheblichen Einfluß auf die Geschäftspolitik des Berliner Hauses, auf seine ökonomische wie publizistische Strategie. Mehrheitseignerin Friede Springer nennt den zwischen Kirch und WAZ geplanten Deal eine "feindliche Übernahme" und wehrt sich dagegen mit Händen und Füßen.

Ihr Vorstandsvorsitzender, Mathias Döpfner, hat inzwischen Altbundeskanzler Helmut Kohl eingeschaltet, um das Unheil doch noch abzuwenden. Kohl solle, so flehte ihn Döpfner telefonisch an, seinen "alten Freund" Leo Kirch davon überzeugen, daß ein Verkauf der Anteile an die WAZ der SPD bei Springer Tür und Tor öffnen würde und deshalb für einen so in der Wolle gefärbten "Konservativen" wie Kirch nicht in Fragen kommen dürfe. Die WAZ sei eindeutig SPD-orientiert, und es komme ihr nicht zuletzt darauf an, mit Hilfe der in Aussicht genommenen Sperrminorität die Redaktion der Bild-Zeitung "umzudrehen" und auf SPD-Kurs zu bringen.

Aber wahrscheinlich kommt jegliche Nothilfe zu spät. Die Geschäftsleitung der WAZ-Gruppe hat bereits öffentlich bestätigt, daß die Verhandlungen mit Kirch "in die Schlußphase" eingetreten seien und man sich nur noch über die endgültige Höhe des Kaufpreises einigen müsse. Sie, die WAZ, biete bisher knapp achthundert Millionen Euro, Kirch wolle eine volle Milliarde. Über die Differenz von zweihundert Millionen werde man sich zweifellos verständigen können.

Für Kirch drängt die Zeit, da am 10. September seine freie Verfügung über den Springer-Anteil ausläuft und eine Option wirksam wird, die die Deutsche Bank an dem Paket hält; Kirch hatte der Deutschen Bank die Springer-Aktien vor einiger Zeit als Bürgschaft überstellt, um an neue Kredite zur Tilgung von fälligen Altschulden heranzukommen. Frau Springer ihrerseits hofft, daß sie mit Hilfe der Deutschen Bank ihr genehme Käufer für das Paket auftun kann, etwa den Schweizer Zeitungszaren Ringier. Genau das jedoch will Kirch verhindern.

Er macht Springer im allgemeinen und den Vorsitzenden Döpfner im besonderen für den Zusammenbruch des eigenen Hauses verantwortlich und will sich nach Meinung vieler Beobachter nun an Friede Springer und an Döpfner "rächen". Für ihn sei der Verkauf der Springer-Anteile keine simple Wirtschaftsoperation mit politischem Hintergrund, sondern in erster Linie die Inszenierung eines privaten Racheplans. Daß Springer durch den Verkauf eventuell SPD-abhängig werde, sei ihm völlig gleichgültig geworden, ja, das sei geradezu Teil des Racheplans.

Springers Chancen hängen denn auch weniger an einer Intervention von Helmut Kohl als vielmehr an einer Entscheidung der Justiz. Die Springer-Aktien sind "vinkuliert", das heißt der Mehrheitseigner muß zu ihrem Verkauf jeweils seine ausdrückliche Zustimmung geben. Kirch und WAZ glauben, diese Barriere durch Deklarierung des Aktienpakets zur "Beteiligungsgesellschaft" juristisch umgehen zu können, während Springer schon angekündigt hat, gegen solche Umtriebe "mit allen rechtlichen Mitteln" vorzugehen. Wie gesagt, der deutschen Medienbranche steht, nach dem Drama um Bertelsmann und Thomas Middelhoff (JF 33/02), ein weiterer Wirtschaftskrimi ins Haus, diesmal zusätzlich mit Parteipolitik aufgeladen.

Denn es stimmt natürlich, daß die WAZ-Gruppe SPD-lastig ist. Sie gehört zu jenen vielen Medienhäusern, an denen die SPD zielstrebig Anteile erworben hat. Einer der wichtigsten SPD-Politiker, der Kanzler-Vertraute und ehemalige Kanzleramtschef Bodo Hombach, ist einer der WAZ-Geschäftsführer, und die WAZ-Zeitungen berichten und kommentieren ganz überwiegend regierungskonform, Das Klima in den Redaktionen ist angepaßt und stickig. Einer der Gründer der WAZ-Gruppe, der inzwischen in Pension gegangene Günter Grotkamp, warnte erst vor wenigen Tagen in einem internen Papier vor "zunehmender Linkslastigkeit".

Ob die innerredaktionellen Spielräume bei Springer großzügiger bemessen sind, ist freilich die Frage. In Sachen "political correctness" geht es in Berlin eindeutig repressiver zu als in Essen. So müssen seit kurzem alle Mitarbeiter, die von Springer angestellt werden, einen Revers unterschreiben, der sie zu "uneingeschränkter politischer Solidarität mit den USA" verpflichtet. Es gibt nichts Vaterländisches, Konservatives oder sonstwie Unbequemes mehr in der einst so gefürchteten "Springer-Presse". Aus Torpedobooten wurden Musikdampfer. Ihr kritisches Potential, wenn es überhaupt vorhanden ist, erschöpft sich in der gelegentlichen Aufdeckung von Korruptions-Skandalen bei Politikern, wie kürzlich in der Bonusmeilen-Affäre.

An sich war die Kritik an den Bonusmeilen die pure journalistische Selbstverständlichkeit. Aber die rot-grüne Regierung machte daraus ein Staatsdelikt und richtete schwerste Angriffe gegen die bei der Aufdeckung federführende Bild-Zeitung, bis hin zur Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Selbst wenn solche Anzeigen letztlich nicht durchdringen, sind sie doch geeignet, viele Journalisten einzuschüchtern und vorsichtig zu machen.

Hinzu kommt die zunehmende Unsicherheit der Arbeitsplätze bei Springer (während die bei der WAZ noch relativ sicher sind). Jeder zehnte Springer-Mitarbeiter wird zur Zeit entlassen, Redaktionen werden zusammengelegt, ausgedünnt oder ganz eingespart. Auch Druckkapazitäten sollen demnächst "zurückgefahren" werden. Das Haus schreibt seit zwei Jahren rote Zahlen, und es ist kein Ende der Talfahrt abzusehen.

Die Position von Frau Springer wird zusehends schwächer. Sogar die Enkel Axel Springers, Ariane und Axel Sven, wie bisher Kirch Aktienhalter der Springer AG., prozessieren zur Zeit gegen ihre Stiefgroßmutter, weil sie angeblich am Aufsichtsrat vorbei direkte Geschäftsanweisungen an den Vorsitzenden Mathias Döpfner erteilt und damit das Aktienrecht verletzt.

Der Einstieg der WAZ-Gruppe bei Springer würde die geistige Misere im Hause fürs erste kaum spürbar verschlimmern, und wirtschaftlich wäre er wahrscheinlich sogar von Vorteil. A la longue allerdings dürfte sich die ohnehin bereits vorhandene Tendenz in Richtung Linkskonformismus verstärken. Die Stellung des Chefredakteurs der Bild-Zeitung, Kai Dieckmann, würde wohl geschwächt. Und am Ende gäbe es wahrscheinlich auch einen neuen Vorstandsvorsitzenden. Die Politik würde sich kaum verändern, der kritische Leser würde nichts gewinnen.


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